Erfahrungen einer Quizshow-Kandidatin Teil 1

Die Bewerbung

Im Januar 2005 stand ich (geistig offenbar nicht ausgelastet) am Bügelbrett, als ich die spontane Idee hatte, bei “Wer wird Millionär” anzurufen. Die Nummer lag neben dem Telefon, weil ich es, mit großen Abständen, schon zwei- oder dreimal versucht hatte. Ich beantwortete die Fragen und dachte nicht weiter daran.

Am darauffolgenden Montag klingelte das Telefon. Ahnungslos nahm ich ab – dran war WWM. Ich musste fünf Fragen beantworten, ohne Vorgabe von Antwortmöglichkeiten:

– Welches ist das größte Tier auf der Erde? – Blauwal
– Wer war der Partner von Oliver Hardy? – Stan Laurel
– Welche Zeitung war in den Skandal um die gefälschten Hitlertagebücher verwickelt? – Ich nannte den Spiegel, aber sofort nach dem Auflegen wurde mir klar, dass es der Stern war.  “Okay, das war’s”, dachte ich.
– Welches europäische Nachbarland feiert am 14.07. seinen Nationalfeiertag? – Frankreich
– Wer ist gerade mit dem Lied “Living to love” in den deutschen Charts? – Keine Ahnung, nicht der blasseste Schimmer. – “Wollen Sie nicht wenigstens raten?” – Wen kenn ich bloß, wen gibt’s denn da? Ins Blaue hinein antwortete ich: “Sarah Connor”. Ich stellte dann fest, dass das sogar richtig war – vermutlich meine Rettung, da ich ja schon die Frage nach den Hitlertagebüchern falsch beantwortet hatte. Allerdings habe ich später erfahren, dass es bei diesem Anruf nicht nur um das Abtesten von Wissen geht. Sie wollen auch herausfinden, ob man in Panik verfällt und kein Wort mehr herausbringt, ob man mit dem Mitarbeiter ein wenig plaudern kann. Eine Art erstes Casting.

Mir wurden noch alle möglichen Fragen über mich selbst gestellt, dann hieß es, wenn ich bis Mittwoch nichts höre, dann wird nichts daraus. Die Aufzeichnung findet immer schon am darauffolgenden Dienstag statt.

Dienstag traute ich mich kaum aus dem Haus – nichts. Mittwoch traute ich mich kaum aus dem Haus – nichts. “Na gut”, dachte ich, “dann eben nicht.”

Ich bin dabei!

Am Donnerstag kam ich mit meinem Sohn vom Arzt, als das Telefon klingelte: Firma endemol. Ja, sie seien etwas spät dran. Ob ich trotzdem am 25. könnte? Na, aber sicher doch! Zur Information über alles, was ich wissen muss, werde mir eine E-Mail zugeschickt. Ich legte auf, und das Leben verließ seine gewohnten Bahnen…

Alles musste nun auf einmal geklärt werden. Wen nehme ich mit? Alle wären gerne gefahren, ich entschied mich für meine Mutter. Wer passt auf die Kinder auf? Meine Schwiegermutter sagte sofort zu, die 250 km zu uns zu fahren. Wer sollten meine Telefonjoker sein? Das war schwierig. Letzlich entschied ich mich für einen Freund, unseren Pfarrer, für Theologie, Geschichte, Musik und Ost-Fragen. Joker Nummer zwei sollte meine Nichte werden, da ich dringend jemanden brauchte, der sich in Popmusik, Soaps, Kino und allem anderen auskennt, was junge Leute interessiert. Dann entschied ich mich noch für meinen Schwager, einen Physiker, für Naturwissenschaften. Gerne hätte ich auch noch meinen Mann genommen, als Experten für Geschichte, Politik und Sport, aber leider dürfen es ja nicht mehr als drei sein.

Ich fuhr in den Supermarkt und kaufte mir die Bravo, eine andere Jugendzeitschrift, eine Zeitschrift, die sich mit Volksmusik beschäftigt und irgendein Klatsch- und Tratschblatt.

Abends setzte sich mein Mann an den Computer und druckte zahllose Listen für mich aus: Nobelpreisträger, die aktuellen Charts, Hauptstädte der Welt, Fußballweltmeisterschaften, Götter der Mythologie, größte Seen und, und, und. Ich stürzte mich in die Arbeit.

Am nächsten Tag war die versprochene E-Mail immer noch nicht eingetrudelt. Dafür kam der nächste Anruf. Ein zwanzigminütiges Casting stand an. Ich fand zunächst, dass ich als Hausfrau in der Kinderphase nicht viel zu erzählen habe, aber der Interviewer war geübt und kitzelte nach und nach alles aus mir heraus. Meine Ehrenämter zum Beispiel, darunter den Elternbeirat. Ich verriet, dass ich Vorsitzende des Schulfördervereins bin, ebenso wie die Tatsache, dass ich vor der Geburt meiner Kinder im Schulamt gearbeitet habe – etwas, was später noch von Bedeutung sein sollte.

Ich gab meine E-Mail-Adresse noch einmal durch und erhielt nun auch alle Informationen. Papierkrieg. Namen, Adressen, Alter, Telefonnummern der Telefonjoker, die übrigens vorher auch Testanrufe erhielten. Informationen über meine Anreise (die bezahlt wird). Alle möglichen Angaben über mich.

Am Wochenende waren alle Formalitäten erledigt. Ich versuchte, noch so viele Informationen wie möglich in meinen Kopf zu stopfen und schwankte zwischen Freude und Panik.

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