Francis Wyndham: Der andere Garten

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar bei Lovelybooks erhalten. Als ich es aus dem Umschlag zog, war ich sofort begeistert von der Gestaltung: „Der andere Garten“ ist ein schmales Bändchen mit gerade einmal 191 Seiten, Lesebändchen und einem ansprechendem Umschlagbild. Auf grünem Hintergrund erscheint unscharf ein Zaun in floralem Design, darauf das Fotos eines Gartens, in dessen Mitte eine (weibliche) Person mit einem langen roten Umhang steht. Das wirkt sehr geheimnisvoll und der Leser fragt sich sofort, wer diese Person ist und welches Geheimnis sie umgibt.

Leider sollte sich bei der Lektüre des Buches herausstellen, dass das Buch ebensowenig mit dem Titel zu tun hat (der andere Garten kommt nur am Rande vor) wie mit dem Cover (eine Person mit rotem Umhang tritt nicht auf). Auch die Angaben des Klappentextes stimmen nur zum Teil mit dem tatsächlichen Inhalt des Buches überein. Worum geht es also wirklich?

England in den 40er Jahren. Ein dreizehnjähriger Junge lernt die etwa 20 Jahre ältere Kay kennen, eine unkonventionelle Frau, die, obwohl mit den Eltern zerstritten, gezwungenermaßen bei ihnen leben muss. Er ist fasziniert von dieser innerlich zerissenen Person, und die beiden befreunden sich. Das Buch beleuchtet in großen Sprüngen etwa 10 Jahre dieser ungewöhnlichen Freundschaft vor dem Hintergrund des 2. Weltkrieges.

Wenn ich diese Inhaltsangabe anschaue, klingt das für mich eigentlich vielversprechend. Tatsächlich war ich etwas enttäuscht von dem Buch. Es ist wunderschön geschrieben, Sprache und Stil machen großen Spaß und die Übersetzung ist lobend hervorzuheben. Trotzdem hat es eine gewisse Leere hinterlassen. Die Motivationen der Protagonisten werden nicht klar, für mich ist diese Freundschaft nicht nachzuvollziehen. Der Ich-Erzähler lässt den Leser nicht wirklich „hinter die Kulissen“ schauen. Seine Gefühle bleiben überwiegend vage, die Faszination, die Kay auf ihn ausübt, erschließt sich mir leider nicht wirklich. Noch weniger verstehe ich, was die junge Frau an einem pubertierendem Jungen findet, auch wenn sie sehr einsam ist. Wyndham schafft es, trotz teilweise sehr detaillierter Personenbeschreibungen die Handlung an der Oberfläche zu lassen. Englischer Smalltalk, schwere Krankheiten und der Zweite Weltkrieg bilden eine irgendwie unwirkliche Hintergrundkulisse. Auch der titelgebende andere Garten spielt nur eine Nebenrolle – eine ausführliche Beschreibung des gepflegten und vom Vater des Protagonisten geliebten Gartens am Anfang, eine kurze Erwähnung seiner Verwilderung am Ende. Vermutlich steht der Garten symbolhaft für die sich auflösenden – verwildernden – gesellschaftlichen Strukturen, das wird jedoch nicht wirklich herausgearbeitet.

Dennoch habe ich das Buch gerne und mit Genuss gelesen. Nach der Lektüre musste ich es zunächst einmal beseite legen und sich setzen lassen. Doch auch nach längerem Nachdenken bleibt es ein Buch, das mich ein wenig ratlos zurücklässt.

Francis Wyndham: Der andere Garten. Übersetzung Andrea Ott. Dörlemann, 191 Seiten, Euro 18,90, ISBN 978-3908777571

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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