Einfach unglaublich!

In einem Werbebrief verspricht mir ein Möbelhaus unglaubliche Preise während eines Sale. Letztes mag ich wirklich nicht mehr sehen und hören, aber darauf möchte ich hier nicht eingehen, dazu wurde  schon viel geschrieben. Mir geht es heute um das  unglaublich. Unglaublich, das würde doch bedeuten, dass ich es einfach gar nicht fassen kann. Dass ich den Brief drehe und wende und nach dem Tippfehler suche oder dem Haken an der Sache. Dass ich fast zusammenbreche vor Begeisterung und sofort losrenne in dem Bewusstsein, dass es sich um eine einmalige Gelegenheit handelt, die nie mehr wiederkommt. Der Preis müsste also ziemlich absurd niedrig sein, damit ich ihn nicht glaube.

Aber mal ehrlich, so leicht sind wir doch nicht mehr zu verblüffen:

  • Etliche Räumungsverkäufe pro Jahr erlauben es den Möbelhäusern, die Preise immer weiter zu senken, bis auf wenige Prozente.
  • Andere Unternehmen schenken uns die Mehrwertsteuer.
  • „X Prozent auf alles, außer Tiernahrung“ – wir können es langsam nicht mehr hören.
  • Wasserschäden, Sturmschäden oder Transportschäden erlauben es den Firmen, den Preis zu reduzieren.
  • Kaufen wir „2 zum Preis von 1“ oder schlagen wir lieber bei „Beim Kauf von 4 Artikeln ist der günstigte umsonst” zu?
  • Mittagessen oder Kaffee und Kuchen werden Schnäppchenpreisen angeboten. Wenn wir erst einmal da sind, werden wir schon irgendwas kaufen.
  • Und dazu kommen noch die Angebote aus den wöchentlichen Prospekten.

Einfach unglaublich? 

Ich nehme den Brief und stecke ihn ins Altpapier. Und vermute, dass heute vielleicht aus der Masse herausragt, wer schlicht schreibt, keine Hyperlative erfindet, bei denen die Leser nur die Augen verdrehen. Wer Fakten auf den Tisch legt. Wer mehr Wert auf aussagekräftige Produktbeschreibungen legt. In Modeprospekten wird es beispielsweise immer seltener für nötig gehalten, auf das verwendete Material hinzuweise. 100% Chemie, denke ich mir da und bleibe gleich daheim.

Ein schlichter, sachlicher, informativer Brief wäre sicherlich unglaublich entspannend – und vielleicht sogar wirkungsvoll …

Dies ist ein Beitrag zur Aktion: „Jahr der ungewöhnlichen Formulierung“, das PR-Doktor Kerstin Hoffmann in ihrem Blog ausgerufen hat. Dabei geht es ihr darum, abgegriffene, wirkungslos gewordene Formulierungen zu entdecken, zu hinterfragen und durch ungewöhnliche zu ersetzen. Wobei letzteres gar nicht einfach ist …

Die weiteren Beiträge zur Aktion hat Kerstin Hoffmann hier zusammengetragen.

0 Replies to “Einfach unglaublich!”

  1. Du sprichst mir aus der Seele. Ähnliches habe ich auch schon oft gedacht, aber noch nie so gut in Worte gefasst.
    Ich hatte vor Jahren mal an Lands End geschrieben, dass mir ihre permanenten Aktion (2 – 3 pro Woche) wirklich auf die Nerven gehen und dass es mich abstößt. Ich habe noch nicht einmal eine Antwort erhalten.

  2. Ich fürchte, vielen ist gar nicht bewusst, dass diese übersteigerten Werbeaktionen kontraproduktiv sind. Ich lese diese an mich persönlich adressierten Briefe meist gar nicht mehr. Was soll man beispielsweise davon halten, dass man “als sehr guter Kunde” ausgewählt wurde, zu Sonderkonditionen am Personaleinkauf teilzunehmen, obwohl man in dem Laden schon jahrelang nichts Größeres mehr erstanden hat?

  3. Es ist kaum zu glauben: Alle oben beispielsweise aufgeführten Werbeaussagen wurden und werden von Marketingfachleuten erfunden und gemacht. Sie kosten den Unternehmen richtig Geld. Und sind sie dann allgegenwärtig, wird man ihnen überdrüssig und ist nur noch gelangweilt gar angewidert. Da macht sich dann die Spitze der Marketingspezialisten dran, sich zunächst darüber lustig zu machen und dann mit anderen Vorschlägen zu kommen. Bis diese in Mode und zur Phrase verkommen. Moin, moin und der Kreis beginnt sich vom neuen zu drehen und alle haben ihr auskommen.

    • Das ist natürlich richtig. Das Problem ist eben, dass die Leser (die potenziellen Kunden) abstumpfen. Alle diese Phrasen wurden irgendwann einmal zum ersten Mal verwendet. Da haben sie Aufmerksamkeit erregt und waren gut. Gutes findet Nachahmer, aber irgendwann ist der Punkt der Übersättigung erreicht. Das wird sich nicht verhindern lassen. Letztlich ist das in anderen Bereichen nicht anders, beispielsweise in der Mode. Wer Werbetexte schreibt, sollte das immer im Hinterkopf haben. Dann kann er vielleicht verhindern, dass er „olle Kamellen“ verkauft.

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