Angelo Colagrossi: Kartoffeln al dente

Der Sizilianer Andrea arbeitet im Lokal seiner Familie als Koch. Seine aus Deutschland stammende Oma hat die Idee, ihn zu einem Deutsch-Intensivkurs in ihre Heimatstadt Krefeld zu schicken. Bei der Gelegenheit soll er bei einer Koch-Castingshow mitmachen, um auf diese Weise Werbung für das heimatliche Ristorante zu machen. Also macht sich Andrea auf den Weg und kommt genau am 11.11. in Krefeld an, wo ihn das Zusammentreffen mit den angetrunkenen Jecken zunächst etwas aus der Fassung bringt. Auch seine Gastfamilie, wohnhaft in einem Reihenmittelhäuschen mit Gartenzwergen, ist bei der ersten Begegnung verkleidet.

In einem Volkshochschulkurs lernt er nicht nur die Feinheiten der deutschen Sprache kennen, sondern auch interessante Mitschüler aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt. Jeder von ihnen hat seine ganz individuellen Probleme mit der deutschen Sprache. Gelegentlich muss Andrea einen Tag schwänzen, um sich bei der nächsten Runde der Kochshow DSD5SK (Deutschland sucht den 5-Sterne-Koch) zu erproben. Das ist ganz schön stressig! Dazu kommt die gelegentliche Irritation über deutsche Sitten und Redewendungen und vor allem die Essgewohnheiten: belegte Brote mit Gürkchen zum Abendessen …

Was erlebt ein Ausländer in Deutschland und wie erlebt er die Deutschen? Auf amüsante Weise schildert Colagrossi die Erlebnisse des Italieners Andrea, wobei er zahlreiche Klischees auf die Schippe nimmt. Ein wenig übertreibt er es dabei meiner Meinung nach. Gleich mehrfach sorgt der scheinbar weibliche Vorname des Protagonisten für Verwirrung, sodass er sich schließlich Andreas nennt. Ich bilde mir ein, dass sich inzwischen herumgesprochen hat, dass männliche italienische Vornamen auf “a” enden, sodass man damit höchstens kurzzeitige Irritation hervorrufen würde. Ich hatte jedenfalls schon in den 80er-Jahren ein Kinderbuch, das sich um eine Brieffreundschaft mit einem vermeintlichen Mädchen namens Andrea drehte. Im Garten der ziemlich prolligen deutschen Gastfamilie stehen natürlich Gartenzwerge, zum Abendessen gibt es ausschließlich belegte Brote, im Fernsehen wird nur Sport gesehen und alle Deutschen gehen in die Sauna und laufen dann nackt draußen herum. Sagen wir es so: Ich war noch nie in Krefeld, es mag sein. Der Italiener ist natürlich ähnlich klischeehaft gezeichnet, von der Kochshow, in der man mit Currywurst mit Pommes eine Runde weiterkommen kann, gar nicht zu reden. Das macht aber nichts, lustig ist es trotzdem!

Die Kapitel werden nach den Deutschlektionen Andreas gegliedert und beginnen meist mit einer grammatikalischen Erläuterung aus einem Handbuch für den Ausländerunterricht. Wenn anhand solch komplizierter Erklärungen jemand unsere Sprache lernen soll, dann viel Spaß. Ich vermute, dass viele Deutsche damit ihre Probleme hätten. Ich fand diese Passagen doch eher ernüchternd und bedauerte die armen Deutschschüler im VHS-Kurs. Den meisten Spaß hatte ich bei den Missverständnissen, mit denen das Deutsche den Sprachenlerner tagtäglich konfrontiert.

Neben der Sprache spielt das Essen die zweite große Rolle in dem Roman. Nicht nur in der Kochshow wird gekocht, auch die Teilnehmer des Volkshochschulkurses bekochen sich gegenseitig, Andrea kocht für seine Gastfamilie und stellt seiner Lehrerin ein Liebesmenü zusammen. Die Rezepte sind am Ende des Buches zusammengestellt, ein schöner Mehrwert. Die Lektüre wird allerdings etwas dadurch erschwert, dass die Rezepte genau so abegedruckt sind, wie sie von den fikitiven Autoren mit ihren ganz unterschiedlichen Muttersprachen niederschrieben wurden. Aber egal, einige davon muss ich unbedingt ausprobieren. Amüsant auch der satirische Blick hinter die Kulissen des Fernsehstudios. Ob es da wirklich so zugeht?

„Kartoffeln al dente“ (bei jedem Lesen des Titels bekomme ich ein pelziges Gefühl an den Zähnen!) ist keine anspruchsvolle Lektüre, sondern eine unterhaltsame Geschichte, die man relativ schnell zwischendurch gelesen hat. Perfekt geeignet fürs Wartezimmer, die U-Bahn oder den Strand. Dass Deutschland, die Deutschen und ihre Castingshows dabei gehörig auf die Schippe genommen werden, muss man allerdings abkönnen. Aber das wird einem leicht gemacht. Im Prinzip hat man drei Bücher in einem: ein Kochbuch, ein Sprachlehrbuch und einen Roman. Was will man eigentlich mehr?

Angelo Colagrossi: Kartoffeln al dente. Langenscheidt 2012, 176 Seiten, Euro 12,99, ISBN 978-3-468-73837-1

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