Jugendsprache 2013

Wie in den vergangenen Jahren, sind wieder zwei Büchlein erschienen, die sich mit den neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Jugendsprache befassen:

Hä? Jugendsprache unplugged 2013. Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Langenscheidt 2012, 168 Seiten, 650 Begriffe in vier Sprachen, Euro 3,99, ISBN 978-3-468-29862-2. Hä?? Jugendsprache unplugged 2013 bei Amazon

Langenscheidt sammelt die Begriffe über die Seite www. jugendwort.de und hat 650 davon ausgewählt, die bei Jugendlichen in Deutschland, Österrreich und der Schweiz gerade angesagt sind. Zunächst wird die Bedeutung erklärt, dann versucht, diese Begriffe in den entsprechenden Jugendslang in Englisch (unterschieden in Britisch und US-Amerikanisch), Französisch und Spanisch zu übersetzen. Oft gibt es jedoch keinen passenden Begriff und es muss auf die Hochsprache zurückgegriffen werden, was entsprechend gekennzeichnet wird. Teilweise gibt es auch nur Umschreibungen.

Ich fand die Lektüre sehr amüsant, denn es ist oft sehr bildhaft, was die Jugendlichen einfallen lassen: Beispielsweise bedeutet „den Ölstand messen“, „to part the red sea“ und „to have a salsa dip“ Sex mit einer Frau zu haben, die gerade ihre Tage hat.

Wörterbuch der Jugendsprache 2013, PONS 2012, 144 Seiten, 1.500 Begriffe, Euro 3,99, ISBN 978-3-120-10082-9 PONS Wörterbuch der Jugendsprache 2013 bei Amazon: Das Original

PONS sammelt die Begriffe in einem jährlichen Wettbewerb, der an Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt wird. In diesem Büchlein sind mehr als doppelt so viele Begriffe zu finden, deren Bedeutung kurz erläutert wird.

Beiden Wörterbüchern ist gemein, dass Begriffe aus Österreich und der Schweiz gekennzeichnet werden. Aber auch die Wörter aus Deutschland sind keineswegs im ganzen Land bekannt. Ich habe einen Test mit meinem 17-Jährigen Sohn gemacht. Von den 57 Wörtern, die Langenscheidt unter A auflistet, kennt er gerade mal 13. Beim PONS sind es sogar nur 10 von 98. Die meistens davon werden in seinem Umfeld aber nicht verwendet, er kennt sie nur passiv.

Zum Vergleich: Ich kenne 9 von 57 bzw. 6 von 98, darunter „abkacken“, „ adden“, „ angepisst sein“ oder „Augenkrebs“, die vermutlich schon auf dem Weg über die Jugend und/oder das Internet in die Umgangs- oder Vulgärsprache sind.

Mir scheint, die Wörterbücher können nicht nur für Erwachsene sinnvoll sein, die Jugendliche verstehen wollen, sondern auch für Jugendliche zum Beispiel aus der Thüringer Provinz, die ein paar Tage bei Altersgenossen in Berlin oder Köln planen. Mich würde wirklich interessieren, wie groß die Reichweite mancher Wörter sind. Bundesländer, Städte oder vielleicht manchmal nur Schulen?

An vielen Stellen habe ich Zweifel, ob es sich wirklich um Jugendsprache handelt. „LOL“, „ROFL“, „Flashmob“, „adden“ kenne ich aus dem Netz. Sicher neigen Jugendliche am ehesten dazu, die Fachtermini in ihre alltägliche Sprache zu übernehmen, aber ich bin mir beispielsweise sicher, dass Facebooknutzer jeden Alters dort „Freunde adden“.

Viele Wörter kreisen um die Themen Liebe und Sexualität, die jungen Leute sind da nicht gerade feinfühlig.  Indem sie peinliche Gesprächsthemen ins Lächerliche ziehen, versuchen sie vermutlich, den Eindruck zu vermeiden, dass ihnen da irgendetwas peinlich sein könnte.

Erstaunlich viele Wörter beschäftigen sich auch mit dem Themenkomplex Alter. So ist eine „Opa-Shisha“ ein Inhaliergerät, „Rentner-Fondue“ Kamillentee mit Zwieback, „Abwrackprämie“ wird die Rente genannt, ein „Grabflüchter“ ist ein Rentner.

Ich hätte erwartet, dass sich mehr Wörter mit der Schule beschäftigen, es sind aber vergleichsweise wenige und, wie ich finde, auch nicht (mehr) so originelle wie „U-Haft“, „Brettergymnasium“ für eine „Sonderschule“ (diesen Begriff gibt es nicht mehr, wie man auch bei Langenscheidt wissen sollte, soweit ich weiß, heißt das schon lange Förderschule) oder „copypasten“ für abschreiben.

Immer mehr Politiker finden sich in der Jugendsprache wieder. Nichts, worauf man stolz sein muss, wie ich finde: zu „guttenbergen“ kamen „röttgern“ und „wulffen“.

Insgesamt bewundere ich die Kreativität und den scharfen Blick auf die Welt, die in vielen Wortkreationen deutlich werden. So ist ein „Betreffspoet“ eine Person, die sich viel Mühe mit der Formulierung der Betreffszeilen bei E-Mails gibt, „Brombeersex“ bezeichnet Sex mit einer Person mit stoppeligem Intimbereich, ein „Datenzäpfchen“ ist ein USB-Stick, ein „Scheibenwischer“ ein iPhone- oder iPad-Besitzer.

Am Ende des PONS-Buches findet sich wieder eine Liste mit 20 Wörtern, die vollkommen out sind. Wie im vergangenen Jahr beginnt diese Liste mit LOL und ROFL. Ich denke, sobald die Wörter von jedermann verstanden werden, also keinen „Geheimcode“ mehr für die Jugendlichen darstellen, werden sie uninteressant. Klar, „OmG“ kennt wirklich jeder, der gelegentlich im Internet unterwegs ist und “cool” sagen mittlerweile auch Vierzigjährige. Amüsant finde ich, dass in dieser Liste auch „dufte“ aufftaucht, ein Wort, das in Mode war, als ich noch zur Schule ging (was ein paar Tage her ist) und an dessen Niedergang ich mich gut erinnern kann. Es scheint zwischenzeitlich eine Renaissance erlebt zu haben, die sich in diesem Haushalt allerdings nicht bemerktbar machte. Ich kenne allerdings nicht alle Wörter auf dieser Liste, „endlaser“ für „toll“ beispielsweise ist an mit vorbeigegangen.

Fazit: Es macht Spaß, sich durch die beiden Bücher zu lesen und die Kreativität der Jugendlichen zu bewundern, auch wenn vieles sehr vulgär ist. Das sollte man schon abkönnen! Ich kann keins der beiden Bücher besonders empfehlen, sie sind beide auf ihre Art gut – bei dem niedrigen Preis muss man sich auch nicht entscheiden, sondern kann geich beide kaufen.

PS: Das Jugenwort des Jahres 2012 ist noch nicht gewählt. Die Abstimmung läuft noch bis zum 31.10. hier.

0 Replies to “Jugendsprache 2013”

  1. In der Regel haben solche Büchlein ja schon beim Erscheinen ihr Verfallsdatum überschritten 🙂 Wie gut, dass sich “toll” jetzt schon seit Jahrzehnten hält und für uns noch brauchbar (anwendbar) ist, ohne dass nachfolgende Generationen es im Wörterbuch nachschlagen müssen.

  2. Pingback: 11 Fragen an Wortakzente « Wortakzente

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