Izabela Szolc: So dunkel die Nacht

Von den traumatischen Erlebnissen am Ende des letzten Buches hat sich Kommissarin Anna Hwierut so weit erholt, dass sie ihren Dienst wieder aufnimmt. Eine junge Frau wird grausam ermordet, kurz darauf eine zweite. Anna ist die Erste, die von einem Ritualmord spricht, ihr Chef will zunächst nichts davon hören. Er zweifelt daran, dass Anna überhaupt wieder in der Lage ist zu arbeiten und macht es ihr zusätzlich schwer, sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Schließlich geschieht ein dritter Mord, zwischen den jungen Frauen scheint es keine Verbindung zu geben. Anna sucht verzweifelt nach dem Bindeglied. Schließlich gerät ein Kollege in Verdacht …

Wie auch schon beim ersten Fall „Ein stiller Mörder“ (zur Rezension) behandelt der Krimi mehrere Ebenen. Zunächst natürlich der Kriminalfall um die grausamen Mädchenmorde, in dem Hwierut den richtigen Riecher beweist und die richtigen Schritte unternimmt, zunächst gegen den Willen ihres Chefs. Gleichzeitig wird die Scheinheiligkeit der polnischen Gesellschaft beleuchtet: das Rotlichtmillieu, in dem auch Polizisten nicht nur beruflich zu tun haben; ein von Nonnen geleitetes Internat, in dem Mädchen vom Land eine Schulausbildung erhalten sollen, wo Probleme aber unter den Teppich gekehrt werden; scheinbar hilfsbereite „gute Bürger“, die sich einen guten Ruf erwerben, indem sie arme Mädchen unterstützen, die in Wirklichkeit jedoch ganz anderes im Sinn haben. Szolc zeigt, dass die Hoffnung der Mädchen vom Land, in Warschau ein besseres Leben zu finden, oft genug scheitert.

Eine wichtige Rolle spielt auch Anna Privatleben. Ihre Seele ist verletzt worden, nun versucht sie, wieder zu sich zu finden. Auf der Arbeit spielt sie die Starke, muss die Starke spielen, weil alle befürchten, dass sie einen Knacks bekommen hat und nichts mehr leisten wird. Vor allem ihr Chef ist ein Widerling ohne Verständnis, andere versuchen, nun schnell an ihr vorbei auf der Karriereleiter voranzukommen. Zu Hause muss Anna mit ihren Erinnerungen fertig werden. Sie vermisst ihren Sohn, sie sucht Hilfe beim Vater, einem pensionierten Polizisten, der ihr auch Tipps für ihren Fall gibt. Bei ihm bekommt sie auch die Fachliteratur, aus der immer wieder zitiert wird, beispielsweise das „Handbuch für Serienmörder“. Diese Zitate bringen einen zusätzlichen Blickwinkel ins Spiel, den des Experten von außen.

Ich fand den Krimi sehr spannend, auch wenn ich mich ab und an über die Vorgänge im Präsidium aufgeregt habe. Er ließ sich sehr flüssig lesen und ich habe ihn kaum aus der Hand gelegt. Geschickt legt die Autorin falsche Fährten, sodass ich über das Ende doch recht überrascht war. Er hat alles, was ein guter Krimi meiner Meinung nach braucht, ich kann ihn nur empfehlen.

Cover_Szolc_SodunkeldieNacht

Izabela Szolc: So dunkel die Nacht. Aus dem Polnischen von Barbara Samborska. Prospero 2013. 200 Seiten, Euro 12,95, ISBN 978-3-941688-30-8. Zur Verlagsseite

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