Rachel Joyce: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

Harold Fry ist Rentner. Er lebt mit seiner Frau in einem kleinen Haus in der südlichsten Ecke Englands. Sein Leben ist ziemlich eintönig. An einem langweiligen Morgen, an dem es nichts anderes zu tun gibt, als den Rasen zu mähen – aber das hat er schon gestern getan – kommt plötzlich ein Brief. Eine frühere Arbeitskollegin liegt im Sterben. Zunächst geht Harold ganz sachlich mit dem Brief um, obwohl er ihn aufwühlt. Er schreibt eine sehr knappe Antwort und geht los zum Briefkasten, um seinen Brief einzuwerfen. Doch dann geht er am Kasten vorbei zum nächsten, weil er noch etwas nachdenken muss. Auch am nächsten und übernächsten geht er vorbei, bis er auf der Landstraße ankommt. Und hier fasst er einen Entschluss. Er wird weiterlaufen, hoch bis an die schottische Grenze, um Queenie Hennessy zu retten. Er bildet sich ein, dass das funktionieren muss, und so läuft er und läuft, in seinen Segeltuchschuhen und ohne Handy … Harold hat unterdessen viel Zeit, über sich und sein Leben nachzudenken. Die vielen Begegnungen mit Menschen, mit denen er sonst niemals ins Gespräch gekommen wäre, geben ihm viel Impulse. Wird Harold es schaffen?

Dieses Buch lag schon seit Weihnachten auf meinem SUB und ich bin etwas skeptisch drumherumgeschlichen. Bei Büchern, die sehr gelobt worden (und noch mehr bei Filmen), habe ich schon oft die Erfahrung gemacht, dass ich anderer Meinung war. Nun habe ich es endlich doch angefangen und ich bin so froh darüber! Um es kurz zu machen: Ich schließe mich der allgemeinen Begeisterung an!

Und länger: Die Geschichte von Harold hat mich schon nach wenigen Seiten in ihren Bann gezogen. Zunächst scheint Harold ein recht langweiliger alter Mann zu sein. Man merkt schnell, dass es mit seiner Ehe nicht zum Besten steht, außerdem erfährt man, dass er einen Sohn hat, zum dem er eine schlechte Beziehung hat. Nun läuft Harold und läuft und denkt dabei nach. Natürlich zunächst erst einmal über die Widrigkeiten des Laufens, aber dann immer mehr über sich und sein Leben. Seine Jugend, seine Hoffnungen, Glücksmomente und vertane Chancen. Nach und nach eröffnet sich die Geschichte seiner Ehe und seiner Beziehung zu seinem Sohn. Auch was es mit der Kollegin Queenie auf sich hat, erfährt der Leser erst nach und nach. Harold hat viele Begegnungen mit interessanten Menschen, die ihm viele neue Einblicke ermöglichen. Erst durch sie kann er sein Leben neu einordnen.

Ich fand es sehr spannend, Harolds Weg und seine oft sehr philosophischen Gedankengänge zu teilen. Auch in den Lesepausen hat das Buch mich nicht losgelassen und ich habe angefangen, darüber nachzudenken, was denn in meinem Leben wichtig ist und ob ich meine Prioritäten richtig setze.

Ich habe das Buch als sehr feinsinnig empfunden, es hat mich stellenweise wirklich bezaubert. Ich habe mich mit Harold gefreut und mit ihm gelitten. Vor allem aber war ich froh über die vielen Denkanstöße, die es mir gegeben hat. Ich empfehle es uneingeschränkt weiter.

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Rachel Joyce: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry. Aus dem Englischen von Maria Andreas. Fischer 2012. 381 Seiten, Euro 18,99, ISBN 978-3-8105-1079-2.

Beim Verlag gibt es eine Leseprobe und eine Hörprobe.

0 Replies to “Rachel Joyce: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry”

  1. Danke für die Rezension. ich habe es bisher aus den selben Gründen liegen lassen, aus denen du nur um das Buch herumgeschlichen bist. Es wird einfach hochgelobt. eine freundin schwärmt seit Tagen von dem Hörbuch. Es ist auf meiner to read Liste , aber es wird noch etwas dauern. (Eine wie ich -habe ich soeben bestellt:))

  2. Das Buch hatte ich heute auch noch mal in der Hand und hab es dann zugunsten eines anderen liegenlassen(Schneckenmühle). Ich bin mir relativ sicher es in der Bibliothek schon gesehen zu haben und werde es mir von dort holen.

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  6. Eine wirklich schöne Rezension, die mich doch endlich mal von dem Buch begeistern kann. Mir geht es scheinbar ähnlich wie dir und wie vielen anderen: Es ist ein solcher Bestseller-Erfolg, dass man schon im Vorfeld Angst vor einer Enttäuschung hat. Danke für deine Rezension!

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