Meike Winnemuth: Das große Los

Es muss lange her sein, dass ich so hin- und herüberlegt habe, ob ich mir ein Buch kaufen soll oder nicht. Schließlich hatte ich jede einzelne Seite von Meike Winnemuths Blog „Vor mir die Welt“ verschlungen, teilweise sogar mehrfach. Ich hatte es mit Verspätung entdeckt, erst im April, als sie schon im vierten Monat unterwegs war. Über die Osterfeiertage hatte ich das Verpasste nachgeholt und von da an immer wieder nachgesehen, ob es einen neuen Artikel gab. Wozu also das Buch lesen? Ich war doch sozusagen live dabei. Wie nicht anders zu erwarten, wurde ich am Ende doch schwach. Was für ein Glück!

Aber von vorn, für diejenigen, die das Blog nicht kennen und nicht wissen, um was es geht. Meike Winnemuth hat bei „Wer wird Millionär“ eine halbe Million gewonnen. Sie beschloss, mit diesem Geld ein Jahr lang um die Welt zu reisen. Jeweils für einen Monat wollte sie in einer Stadt bleiben, dort leben, arbeiten und natürlich die Stadt und ihre Bewohner kennenlernen. In ihrem Blog, das 2012 sogar für den Grimme Award nominiert wurde, berichtete sie einer ständig größer werdenden Leserschaft von ihren Erfahrungen und Erlebnissen. Und ja, sie hat so einiges erlebt!

Das Buch ist ganz anders aufgebaut als das Blog. Dort berichtete sie chronologisch, was ihr gerade passierte, was sie an jenem oder den vorangegangen Tagen gemacht hat. Wie es sich für ein Webtagebuch eben gehört. Im Buch dagegen schreibt sie Briefe, einen aus jeder Stadt. Sie schreibt an Freunde, die Eltern, ihr jüngeres Ich, Reisebekanntschaften oder den Publikumsjoker, der ihr überhaupt erst zu dem Gewinn verholfen hat. So fasst sie jeweils einen Monat zusammen, was ein ganz anderes Bild ergibt, als die Beschreibung einzelner Tage. Was den Sprung ins Buch geschafft hat, ist die Rubrik „10 Dinge, die ich in … gelernt habe”. Schon im Blog haben mich viele der Einsichten, die Winnemuth gewonnen hat, fasziniert. Ich habe sie gerne wiedergelesen. Auch ein Teil der Bilder wurde ins Buch aufgenommen, natürlich viel weniger, als sie im Blog gezeigt hat. Sie sind in mehreren Bildteilen gesammelt. Die Brillanz und Größe der Bilder kommt natürlich im Blog besser heraus. Aber wer interessiert ist, kann sie sich ja dort noch einmal anschauen. Das empfehle ich speziell für Äthiopien.

Neu ist das Kapitel darüber, wie es ihr nach Ende des Jahres ergangen ist, wieder zu Hause, zurück in ihrer alten Welt. Es war abzusehen, dass das nicht ganz einfach werden würde und ich fand es sehr spannend, welche Konsequenzen sie aus dem Jahr unterwegs gezogen hat. Zum Abschluss folgen noch Tipps für zukünftige Weltreisende. Also, sollte ich tatsächlich jemals meine Koffer packen, werde ich garantiert dort nachschlagen!

Der Bericht über Äthiopien hat mich, wie bereits beim ersten Lesen, am meisten beeindruckt. Wieder war ich fasziniert von dieser Kultur, über die ich genau nichts gewusst habe. Wie eurozentrisch unsere Schulbildung doch ist, wurde mir hier sehr deutlich. Zwischen den alten Ägyptern und „Dritte Welt“ (so sagte man damals noch) kam Afrika schlicht nicht vor. Aber ich schweife ab …

Meike Winnemuth besuchte Syndney, Buenos Aires und Mumbai. Dann hätte es eigentlich nach Tokio weitergehen sollen, doch Fukushima machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie zog Shanghai vor und schob Honululu ein, dann ging es weiter nach San Francisco, London, Kopenhagen, Barcelona, Tel Aviv, Addis Abeba und Havanna. Da sie ein Mensch ist, der leicht mit anderen in Kontakt kommt, lernte sie die interessantesten Menschen können. Vielleicht machte auch das für mich einen solchen Reiz bei der Lektüre aus: Ich würde nach einem Monat in einer fremden Stadt vermutlich kaum jemanden kennen und beneide Winnemuth um diese Fähigkeit, die sie viel leichter in die fremden Kulturen eintauchen lässt. Es ist faszinierend, was sie erlebt hat, was sie über die Städte herausgefunden hat. Am liebsten habe ich die Briefe aus den „exotischen“ Städten gelesen, die ich selbst noch nicht kenne. Aber auch in den europäischen Städten, die ich selber schon besucht habe, hat sie so viel für mich Fremdes erlebt, eben weil sie auch allerhand ausprobiert.

Ich mag die Art, wie Winnemuth schreibt, aber vor allem, was sie schreibt. Sie hat einen besonders scharfen Blick und besucht nicht nur touristische Highlights, sondern entdeckt die speziellen Ecken der Städte ebenso wie die ganz normalen, typischen, die auf Anhieb nichts Besonderes zu sein scheinen.

Ich habe das Buch von der ersten bis zur letzten Seite verschlungen und kann es allen nur empfehlen. Besonders wichtig finde ich ihre Feststellung, dass sie das Geld von Jauch überhaupt nicht gebraucht hätte. Sie ist Journalistin und hat an allen Orten gearbeitet, sie hätte sich das auch so leisten können. Aber sie hätte es niemals gewagt! Oft braucht es nur ein bisschen Mut, um sich einen Traum zu erfüllen!

Was mir nach der Lektüre besonders viel Spaß gemacht hat, war, meine persönliche 12-Städte-Liste zusammenzustellen. Natürlich sähe sie in weiten Teilen ganz anders aus als die von Meike Winnemuth. Ich habe mir gleich mehrere Listen überlegt: 12 Städte in Lateinamerika (Ich habe Lateinamerikanistik studiert, habe es aber bisher nur nach Kuba geschafft.), 12 Städte in Amerika, von Alaska bis Feuerland; 12 Hauptstädte in Europa, aber nur solche, die ich bisher noch nicht kenne (Gar nicht so einfach, ich bin schon ziemlich herumgekommen. Es blieben Lissabon, Madrid, Athen, Bern und ganz viel Osteuropa.), 12 Städte in Europa, auch solche, in denen ich schon einmal war; 12 Städte auf der ganzen Welt, aber ohne Europa … Ideen hätte ich genug. Allerdings bin ich nicht unbedingt der Städtetyp, würde auch etwas drumherum sehen wollen, wie Winnemuth es in Indien und Äthopien gemacht hat.

Ihr merkt, dies ein Buch, das Reisefans zum Träumen bringt und gleichzeitig zeigt, dass man nicht auf den Lottogewinn warten muss, um seine Träume zu verwirklichen. Einfach eine traumhafte Lektüre!

Cover_Winnemuth_GroßesLos

Meike Winnemuth: Das große Los. Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr. Knaus 2013. 336 Seiten, Euro 19,90, ISBN 978-3-8135-0504-7. Zur Verlaggsseite

0 Replies to “Meike Winnemuth: Das große Los”

  1. Mir geht es gerade ähnlich: Im Blog habe ich regelmäßig begeistert gelesen und das Buch verschlinge ich gerade. Beziehungsweise: Ich ermahne mich, langsamer zu lesen, um das Buch richtig auszukosten. Denn mal ehrlich: Auf jeder einzelnen Seite wimmelt es von Sätzen, die man nie, nie, nie wieder vergessen möchte. Ich freue mich auch riesig auf ihre Lesetour – auch wenn ich mich noch bis November gedulden muss.

  2. Oh, das Buch habe ich mir letzte Woche ganz spontan aus dem Laden mitgenommen. Nun bin ich hoch hocherfreut darüber, hier bei dir so eine positive Meinung zu finden und freue mich noch mehr auf die Lektüre! 🙂

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