Birgit Ebbert: Brandbücher

Karina hat sich angeboten, das Haus ihrer verstorbenen Großtante Katharina auszuräumen. Dabei stößt sie auf Postkarten aus den dreißiger Jahren. Es ist unklar, wer die Karten geschrieben hat, auch der Inhalt stellt sie vor Rätsel. Was haben haben die merkwürdigen Zahlen-Buchstaben-Kombinationen zu bedeuten und warum sind manche Buchstaben unterstrichen? Karina wird neugierig und beginnt nachzuforschen. Schnell findet sie heraus, dass die Karten Bilder der kleinen Stadt zeigen, aus der ihre Familie stammt. Sie hat sich nie für Geschichte interessiert, jetzt merkt sie, dass sie mehr Hintergrundwissen bräuchte, um die Karten zu verstehen. Bei ihren Nachforschungen stößt sie schnell auf Widerstand. Wieso bekommt sie im Archiv keine ordentliche Auskunft? Wieso ist der Chefredakteur der örtlichen Zeitung so sehr an den Karten interessiert, rückt aber nicht mit den Informationen heraus, die sie bräuchte? Auch ihre extra angereiste Freundin ist keine wirkliche Hilfe. Sie findet den gutaussehenden jungen Pfarrer viel interessanter als den ollen Kram.

Auf je mehr Widerstand Karina stößt, desto neugieriger wird sie. Schließlich findet sie wenigstens eine Person, die ihr hilft. Aber dann wird im Haus ihrer Tante eingebrochen …

Zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung hat Birgit Ebbert einen Krimi geschrieben, der die Ereignisse von 1933 geschickt mit der heutigen Zeit verknüpft. Sie beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit diesem Thema. In ihrem Blog Bücherverbrennung sammelt sie die Namen der Autoren, deren Bücher verbrannt wurden und die Titel der Bücher. Sie stellt fest, dass die meisten betroffenen Autoren nach dem Krieg nicht mehr an ihre frühere Bekanntheit anknüpfen konnten. Häufig wurden die Bücher nie mehr aufgelegt. Dieses Wissen arbeitet sie geschickt in den Roman ein, der stellenweise auch authentische Texte enthält. Durch das Einbinden in eine spannende Romanhandlung schafft sie es, den Leser über die historischen Ereignisse zu informieren, ohne dass er jemals das Gefühl hat, belehrt zu werden.

Das Verbindungsglied zwischen Karina und ihren Vorfahren stellen die Postkarten dar, die Karina auf dem Dachboden findet. Sie bilden einen Handlungsstrang: Eine junge Frau, deren Identität erst im Laufe des Buches geklärt werden kann, beschreibt Ereignisse aus dem Jahr 1933 in einem tagebuchartigen Stil. Karina forscht nach, beschäftigt sich aber nicht nur mit vermeintlich trockenen Daten und Fakten, sondern beispielsweise auch mit Liedern und Filmen der Zeit, die in den Postkarten erwähnt werden, sodass vor dem Auge des Lesers ein lebendiges Bild der Zeit entsteht.

Den zweiten Handlungsstrang bilden die Erlebnisse der Haushälterin eines jüdischen Buchhändlers, der in seinem Laden erst Bücher aussortieren und später schlimmere Repressalien erleben muss. Dessen Sohn nimmt ein Studium in Münster auf und erlebt dort die Bücherverbrennung mit.

Die dritte Handlungsebene stellt die Jetztzeit mit den Erlebnissen Karinas dar. Diese Stränge werden miteinander verwoben, jedoch ohne dass die Gefahr besteht, dass der Leser die Orientierung verhindert. Die Texte der Postkarten sind kursiv gesetzt, was das Erkennen erleichtert.

Ebenso wie Karina wird der Leser immer mehr in die Vergangenheit gezogen. Die Lektüre war spannend, ich konnte das Buch nach einiger Zeit nicht mehr aus der Hand legen. In einer anderen Rezension wurde bemängelt, dass das Buch das Prädikat „Kriminalroman“ nicht verdiene. Dem kann ich nicht zustimmmen. Wikipedia definiert Kriminalroman folgendermaßen: „Der Kriminalroman (kurz Krimi) ist ein Genre der Literatur. Er beschreibt in der Regel ein Verbrechen und seine Verfolgung und Aufklärung durch die Polizei, einen Detektiv oder eine Privatperson. Der Schwerpunkt und auch die Sichtweise unterscheiden sich erheblich.“ (hier) In Brandbücher gibt es durchaus ein Verbrechen, das von Karina untersucht und geklärt wird. Genaugenommen gibt es sogar mehrere Verbrechen, die aufgeklärt werden, in der Gegenwart und in der Vergangenheit.

Ich denke, das Buch nennt sich vollkommen zu recht Krimi und auch ohne Leiche ist er sehr spannend. Mir gefielen die Art und Weise, wie die anfangs desinteressierte Karina schließlich ein so starkes Interesse an der Vergangenheit entwickelt, dass sie sich auch durch Drohungen und Hindernisse nicht davon abhalten lässt weiterzuforschen. Die Liebesgeschichte hätte es für meinen Geschmack nicht unbedingt gebraucht, sie hilft aber vielleicht dabei, die Figur der Karina abzurunden. An manchen Stellen habe ich den Kopf geschüttelt über das fehlende Wissen Karinas (Wie kann man den Film „Die drei von der Tankstelle“ nicht kennen?) und musste mich immer wieder daran erinnern, dass sie einer anderen Generation angehört. Viele jüngere Leser sind vermutlich ähnlich ahnungslos wie die Protagonistin, sodass es keineswegs zu viele Erklärungen sind. Ich wurde sehr gut unterhalten und habe dennoch eine Menge gelernt.

Wieder einmal ein Buch, das ich gerne weiterempfehle!

Cover_Ebbert_Brandbücher

Birgit Ebbert: Brandbücher. Gmeiner 2013. 281 Seiten, Euro 11,99, ISBN 978-3-8392-1448-0

0 Replies to “Birgit Ebbert: Brandbücher”

  1. Liebe Daniela, vielen Dank für die schöne Rezension – mir geht es ganz oft wie dir, dass ich mich wundere, was heutige Jugendliche oder junge Erwachsene nicht kennen oder erinnern. Daran merke ich, dass ich doch nicht mehr so jung bin 🙂 das gilt nicht mal nur für alte Filme oder Musik, sondern auch für geschichtliche Ereignisse oder – im Frühjahr mit einer Abiturientin erlebt – für politische Themen. Die Abiturientin (!) wusste trotz aktueller Diskussion über die Frauenquote nicht, was eine Frauenquote ist. Liebe Grüße Birgit

  2. Pingback: Birgit Ebbert: Falsches Zeugnis « Wortakzente

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