Mary Elizabeth Braddon: Das Geheimnis der Lady Audley

Das Geheimnis der Lady Audley erschien 1861 als Fortsetzungsroman in einem Magazin. Der Krimi machte die Autorin Mary Elizabeth Braddon berühmt. Sie veröffentlichte ihn als Buch, schrieb zahlreiche weitere Romane und schaffte es, damit ihre Familie zu ernähren. Die Übersetzerin Anja Marschall, die selber auch Krimiautorin ist, hat ein Faible für viktorianische Literatur. So entstand die Idee, Braddons Bestseller zu übersetzen und so zu bearbeiten, dass er für das heutige Publikum gut lebar ist.

Inhalt:

Der verwitwete Lord Audley hat nach langen Jahren des Alleinseins wieder geheiratet: Eine junge Frau, die als Gouvernante bei der Familie des Apothekers beschäftigt war und ihn mit ihrem Liebreiz bezaubert hat. Seine fast erwachsene Tochter Alice ist wenig begeistert von ihr, aber sein Neffe Robert, der als Anwalt in London lebt, ist von ihr ebenso fasziniert wie alle anderen Männer.

Roberts Freund George Talboys hat eine schwere Zeit hinter sich. Nach langen Jahren in Australien kam er kürzlich zurück nach England, nur um zu erfahren, dass seine geliebte Frau in der Zwischenzeit verstarb. Er ist am Boden zerstört. Weil Ablenkung nicht schaden kann, nimmt Robert ihn mit zu einem Besuch auf das Landgut der Audleys. Doch eines Nachmittags verschwindet er bei einer Angeltour spurlos. Zuerst denkt sich Robert nicht viel dabei, doch dann mehren sich die Hinweise, dass George ums Leben gekommen sein muss. Wurde er ermordet? Robert beginnt, Nachforschungen anzustellen …

Meinung:

Wie die Übersetzerin liebe ich klassische englische Literatur, sodass ich mich von dem Roman sofort angezogen fühlte. Ich lese auch sehr gerne Krimis und auch Thriller, doch in der letzten Zeit schien es mir, dass ich alle Autoren darin übertreffen wollen, immer größere Grausamkeiten immer detaillierter zu schildern, wovon ich langsam genug habe. Wie habe ich da das vergleichsweise geruhsame Tempo dieses viktorianischen Krimis genossen! Nicht, dass dort nichts passiert: Mehrere Handlungsstränge schildern die Erlebnisse von George, das Leben einer geheimnisvollen jungen Frau und Mutter und die Geschehenisse im Haus der Audleys. Nach und nach verknüpfen sie sich und die Zusammenhänge werden klar.

Ich muss zugeben, dass ich schon recht früh erkannt habe, worauf es hinausläuft. Mir als langjähriger erfahrener Krimileserin war schnell klar, was es mit der geheimnisvollen jungen Frau auf sich hat, sodass ich dem „Detektiv“ Robert fast immer um eine Nasenlänge voraus war. Trotzdem habe ich mich bei der langsamen Aufklärung des Falls nicht gelangweilt, denn es gab durchaus etliche überraschende Wendungen. Vor allem gegen Ende war ich noch einmal sehr verblüfft.

Die Protagonisten sind überzeugend geschildert. Der anfangs lethargische Robert, der zwar den Titel eines Anwalts trägt, aber vom Familieneinkommen lebt und keine Absichten hat, tatsächlich in seinem Beruf zu arbeiten, war mir äußerst sympathisch. Um seinem Freund zu helfen, bricht er aus seiner Alltagsroutine aus und wird aktiv. Georges Verzweiflung ist ebenso glaubhaft wie die Zickigkeit von Alice Audley, Roberts Cousine und die Verliebtheit des Lords. Einzig mit Lady Audley hatte ich ein wenig Probleme, weil sich die bescheidene, liebreizende Governante doch recht abrupt in ein geltungssüchtiges Wesen gewandelt hat.

Das Setting brachte einige Überraschungen für mich, so hätte ich nicht gedacht, dass die Zugverbindungen derart häufig und die Postbeförderung derart schnell waren. Anders als bei einem historischen Roman muss der Leser hier wohl keine Zweifel an der Korrektheit der Angaben haben!

Ich habe diesen Krimi mit Freude und Genuss gelesen. Er bot keine übertriebenen Grausamkeiten, ist aber auch nicht zimperlich, dem einen oder anderen wird übel mitgespielt. Das Tempo überschlägt sich nicht, sondern alle Geschehenisse haben Zeit, sich ausreichend zu entwickeln, ohne dass Langeweile dabei aufkommt. Das Buch ist schnell gelesen, perfekt für einen verregneten Sonntag oder einen kalten Winterabend auf den Sofa.

Einziger Kritikpunkt: Die Bindung ist schlecht, das Taschenbuch löst sich bereits in seine Bestandteile auf.

Wer mal hineinschnuppern mag: Hier gibt es eine Leseprobe.

Cover_Braddon_LadyAudley

Mary Elizabeth Braddon: Das Geheimnis der Lady Audley. Ein viktorianischer Krimi. Übersetzt und bearbeitet von Anja Marschall. Dryas 2013. 334 Seiten, Euro 12,95, ISBN 978-3-940855-47-3.

Zu bestellen hier beim Verlag oder bei Amazon.

Dies ist wieder eine Rezension für Blogg dein Buch!

0 Replies to “Mary Elizabeth Braddon: Das Geheimnis der Lady Audley”

  1. Hi und vielen Dank für die Rezi! Das Taschenbuch sollte sich natürlich nicht auflösen, normalerweise ist unsere Bindung sehr belastungsfähig. Ich befürchte, du hast ein Montagsexemplar erwischt – sorry:( Bitte per Mail melden, dann gibt es Ersatz.

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