Liane von Droste: Dazwischen der Ozean

Ihr erinnert euch sicher noch an die Blogger-Aktion zum Welttag des Buches? Ich habe dabei tüchtig in den beteiligten Blogs gestöbert, mich bei etlichen Gewinnspielen beteiligt und am Ende tatsächlich fünf oder sechs Bücher gewonnen. Darunter auch eins, auf das ich auf andere Weise sicher nicht so schnell aufmerksam geworden wäre: Dazwischen der Ozean. Das wäre sehr schade gewesen, denn ich habe das Buch nicht nur mit Genuss, sondern auch mit Gewinn gelesen.

Wahrscheinlich hat jeder von uns Bilder darüber im Kopf, wie es Auswanderern in Amerika ergangen ist. Ich zumindest habe einige Romane gelesen, in denen das ein Thema ist, aber natürlich haben auch viele Filme meine Vorstellung geprägt. Doch wie sah es wirklich aus? Was ging in den Menschen vor, die diesen großen Schritt gewagt und die Heimat verlassen haben? Hatten sie Heimweh? Wie ist es ihnen ergangen? Hat sich der Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ bei ihnen erfüllt? Jeder, der nach Amerika ausgewandert ist, hatte ja die Hoffnung, dass er dort sein Glück macht und sich seine Lebenssituation bessert. Aber es ist klar, dass nicht jeder es schaffen konnte.

Vier interessante Biografien stehen stellvertretend für den Weg vieler Deutscher, die nach 1848 nach Amerika ausgewandert sind. Julie Hanke hat ihre Erinnerungen für ihre Familie niedergeschrieben, bei Gustav Lenz, Wilhelm Chrstian Hagen und Wilhelm Heinrich Klein sind Briefe erhalten – zum Teil auch die Briefe der Daheimgebliebenen, sodass der Leser auch die bangen Fragen und die Sorgen über ausbleibende Post miterlebt. So wird deutlich, wie die Auswandernden selbst ihre Situation erlebt haben, welche Hoffnungen sie hatten, welche davon enttäuscht wurden, welche Schicksalschläge sie erlebten, wie oft sie wieder neu anfangen mussten. Von Droste gibt den Lesern zahlreiche Hintergrundinformationen zu diesen authentischen Berichten, soweit sie sie zusammentragen konnte: die Biografie bis zur Auswanderung, was über das spätere Leben der Person bekannt ist, der familiäre und historische Hindergrund, Bilder … So wird das Gelesene rund, der Leser vermag es einzurodnen.

Ich fand die Berichte durchweg spannend, und zwar nicht nur das, was beschrieben wird, sondern aus das, was fehlt. So ist es ist es bei Gustav Lenz auffällig, dass er nicht nur selten schreibt, sondern auch die Fragen seiner Mutter und Schwester gerne unbeantwortet lässt. Er berichtet wenig über seine tatsächliche Lebenssituation, bei ihm schafft es der Leser nicht, dem Briefeschreiber nahezukommen, denn das will er nicht. Seine Postion entspricht nicht seiner Ausbildung und es gelingt ihm offenbar nicht, eine bessere Stellung zu bekommen, was an mangelnden Sprachkenntnissen, aber auch an fehlenden Beziehungen zu liegen scheint – aber, mir kommt es jedenfalls so vor, auch an geringem Elan. Tatsächlich kehrte er später in die Heimat zurück, er scheint sich nie richtig eingelebt zu haben. Ein interessantes Detail in diesem Briefwechsel: Lenz wanderte zusammen mit anderen jungen Männern aus seiner Heimatstadt und seiner Region aus (viele hatten sich bei der Revolution von 1848 zu weit vorgewagt und zogen eine Emigration einem möglichen Gefängnisaufenthalt vor) und blieb in New York, hatte also weiterhin Kontakt zu ihnen. Er erwähnt mehrfach, dass Amerikabriefe üblichweweise im Bekanntenkreis herumgereicht werden und bittet gelegentlich darum, das mit diesem Brief nicht zu tun. Ich konnte es mir richtig vorstellen: Viele junge Männer eines Städtchens sind ausgewandert, alle hoffen auf Post und wenn endlich irgendwo ein Brief ankommt, reißen sich alle darum zu erfahren, wie es dem Absender ergangen ist, hoffen aber auch, dass ihr eigener Angehöriger erwähnt wird.

Besonders gut haben mir die Erinnerungen der Julie Hanke gefallen. Ich staunte über die Kraft dieser Familie, die von einer Widrigkeit in die nächste gerät, der es aber immer wieder gelingt, von Neuem anzufangen, die nie aufgibt. Hier wurde mir auch klar, dass ich „Amerika“ ohne Nachzudenken mit den späteren USA gleichgesetzt habe. Sie landete jedoch auf Umwegen in Mittelamerika. Hatte ich zuvor wuselndes Stadtleben in New York oder Chicago, den Goldrausch in Kalifornien und entlegene Farmen im mittleren Westen vor Augen, so gewann ich hier vollkommen neue Eindrücke und Informationen: Urwald, marodierende Soldaten, der Bau der Panamaeisenbahn … Hanke schreibt sehr ausführlich, es entsteht der Eindruck, dass alles Wichtige erwähnt wird, doch auch hier: Auslassungen.

Dafür, dass keine Langeweile aufkommt, sorgt auch die Vielfältigkeit der Persönlichkeiten: ein Ingenieur und ein Medizinstudent, der sein Studium in Deutschland abbrechen musste, es in Amerika aber doch noch schafft, Arzt zu werden, eine unerfahrene junge Frau. Die Deutschen arbeiten in Bars und auf Farmen, in Fabriken und Gaststätten, auf Schlachtfeldern und bei Zeitungen – und einer erlebt das Attentat auf Abraham Lincoln fast hautnah mit.

Absolut empfehlenswert für alle Geschichtsinteressierten, die es mögen, wenn Zahlen und Fakten ein Gesicht bekommen!

Cover_Droste_DazwischenderOzean

Liane von Droste: Dazwischen der Ozean. Biografien, Erinnerungen und Briefe von Deutschen in Amerika nach 1848. edition steinlach 2013. 248 Seiten, Euro 19,90, ISBN 978-3-9815658-0-5.

Zur Verlagsseite (dort gibt es auch Leseproben) – bei Amazon

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