Irvine Welsh: Trainspotting

Edinburgh: für die einen eine idyllische Stadt, die einen Besuch lohnt, für die anderen trostloser Lebensmittelpunkt. In Leith, einem tristen Vorort, leben junge Menschen ohne Arbeit und Perspektive von einem Schuss zum nächsten, dröhnen sich auf Partys oder im Pub mit Alkohol zu, streiten sich mit rivalisierenden Fußballfans, verfallen in Gewaltexzesse oder erleben sie als Zuschauer. Gelegentliche Glücksmomente sind zwar nicht ausgeschlossen, aber selten. Die Ansprüche sind dabei nicht besonders hoch: gelungener Sex, Geld für Heroin … Selbst schlimme Ereignisse, wie der Tod eines Babys, können sie nicht aus ihrer Lethargie reißen. Eher gelingt das noch bei guter Musik. Der richtige Sound spielt eine wichtige Rolle für sie, auch wenn sie sich nicht immer ganz einig sind, was gerade der richtige ist. Daran merkt man allerdings, dass das Buch aus den 90er-Jahren stammt, ich weiß nicht, ob sich heutige Jugendliche mit Iggy Pop und ähnlichen Bands identifizieren können bzw. sie überhaupt kennen.

Welsh beschreibt das Leben einer Gruppe von Jugendlichen, die ganz unten angekommen sind, mit all seinen Höhen und Tiefen. Die Erzählperspektive wechselt, sodass ich manchmal Schwierigkeiten hatte, weil ich den Überblick über die verschiedenen Charaktere verloren habe. Auch dass die jungen Leute mal den richtigen Namen, mal einen Spitznamen verwenden (manche haben sogar mehrere Spitznamen) machte die Sache nicht einfacher. Es ist weniger eine zusammenhängende Erzählung, ich hatte eher den Eindruck, dass ein Spot auf wechselnde Personen geworfen wurde, die sich meist schon seit Schulzeiten kennen, um die jeweilige traurige Lebenssituation zu beleuchten. Diese Vorgehensweise verhinderte allerdings in meinem Fall, dass ich einen oder mehrere Charaktere richtig ins Herz schließen konnte. Das Ende ist überraschend, aber, wie ich finde, folgerichtig.

Die Sprache ist ziemlich drastisch und direkt, ebenso wie die Beschreibung der Ereignisse: Da kommt es schon einmal vor, dass einer der Protagonisten besoffen Durchfall bekommt, das ganze Bettzeug bei seiner Freundin beschmutzt, es zum Waschen aus dem Haus schmuggeln will, aber leider in der Küche fallen lässt, sodass alle Anwesenden von oben bis unten beschmutzt werden. Oder ein Drogenzäpfchen, das versehentlich in der Toilette landete, wird verzweifelt gesucht. Alle denkbaren Körperflüssigkeiten, Sex, die Einnahme von Drogen, Schlägereien werden dem Leser sehr plastisch vor Augen gestellt. Allzu zimperlich sollte er also nicht sein.

Ich bin ein wenig unentschieden in der Bewertung. Einerseits fand ich die drastischen Schilderungen sehr eindrücklich, andererseits hätte ich mir einen etwas zusammenhängenderen Text gewünscht. Ich mag es nicht, wenn ich nicht einmal weiß, wer gerade redet oder mir kein richtiges Bild der Protagonisten machen kann. Dennoch habe ich mitgelitten, oft war ich fassungslos oder wütend. Mehr als einmal hätte ich einem der Protagonisten gerne in den Hintern getreten, um ihn in die Gänge zu bringen.

Es ist ein schonungsloser Einblick in das Leben von Junkies. Ich kann mir vorstellen, dass das Buch auf jugendliche Leser einen sehr starken Eindruck macht. Ich weiß noch genau, wie heftig ich als Jugendliche auf ähnliche Schilderungen reagiert habe. Allerdings könnte ich auch verstehen, wenn ein Leser irgendwann genug von Blut, Dreck, Elend und Gewalt hat und das Buch beiseite legt. Auf jeden Fall ist es ein wichtiges Buch für jeden, der wissen oder verstehen will, wie sich perspektivelose Jugendliche fühlen.

Cover_Welsh_Trainspotting

Irvine Welsh: Trainspotting. Übersetzt von Peter Torberg. Heyne 2013. 384 Seiten, Euro 9,99, ISBN 978-3-453-67660-2.

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Das ist wieder eine Rezension für Blogg dein Buch.

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