Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte

Vor Weihnachten kam ich auf der Suche nach Büchern für meine Lieben in eine Buchhandlung. Unübersehbar lag ein großer Stapel auffälliger gelber Bücher bereit: Die Analphabetin …

Ich: Oh, das neue Buch von Jonasson. Hm, mit dem Hundertjährigen war ich ja nicht richtig glücklich, das wurde mir am Ende einfach zu viel. Ich glaube, das muss ich nicht lesen.

Buchhändlerin: Ich habe es nicht gelesen, aber meine Kollegin. Sie ist sehr begeistert und meinte, es wäre viel besser als das erste.

Ich lasse mich ja gerne überzeugen, also wanderte es auf meine Weihnachts- oder Geburtstagswunschliste. Und nun habe ich es gelesen. Hätte ich doch mal auf mein Gefühl vertraut!

Zunächst weist das Buch zwei Handlungsstränge auf. Die schwarze Südafrikanerin Nombeko lebt in Soweto und ist weitgehend auf sich selbst angewiesen. Durch ihre Schlauheit und schnelle Auffassungsgabe macht sie in sehr bescheidenem Umfang Karriere, soweit es für eine minderjährige Schwarze während der Apartheit eben möglich war. Eines Tages beschließt sie, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Auf dem Weg zur Nationalbibliothek wird sie angefahren, die Schuld wird ihr zugesprochen, nicht dem betrunkenen Fahrer. Sie wird dazu verurteilt, sieben Jahre für den Unfallverursacher, einen Ingenieur, zu arbeiten. Leider stellt sich heraus, dass er am südafrikanischen Atomwaffenprogramm arbeitet und deshalb in einer streng bewachten Forschungsanlage lebt. An Flucht ist nicht zu denken. Der Ingenieur ist ein Säufer, der nur deshalb nicht auffliegt, weil „Putzfrau“ Nombeko die Berechnungen im Gegensatz zu ihm kapiert und ihm immer wieder aus der Patsche hilft.

In Schweden lebt ein junger Mann, der glühender Vereherer des Königs ist, bis er nach einer verunglückten Begegnung zum Antiroyalisten wird. Sein oberstes Ziel, dem er alles unterordnet, ist nun die Abschaffung der Monarchie. Auch die Erziehung seiner Zwillingssöhne, die er beide Holger nennt, beruht hauptsächlich aus deren Indoktrinierung. Vor allem hat er nach der Geburt nur einen Holger angemeldet, der zweite existiert offiziell gar nicht.

Schließlich gelangt Nombeko nach Schweden und trifft dort auf Holger 2. Im Gepäck hat sie ungewollt eine der südafrikanischen Atombomben. Jahrelang versuchen die beiden, die Bombe wieder loszuwerden und zu verhindern, dass Holger 1 und seine Freundin, „die junge Wilde“, sie nutzen, um den König umzubringen. Sie müssen viele Rückfälle erleben.

Von Anfang an mochte ich Nombeko gerne, während mit die „schwedischen Kapitel“ nicht recht gefielen. Die ersten skurrilen Einfälle und absurden Entwicklungen nahm ich noch hin, aber im Laufe der Zeit wurde es mit einfach zu viel. Die Grundidee der Geschichte von Nombeko fand ich gar nicht schlecht, daraus hätte etwas werden können, was mir gefällt. Aber meiner Meinung nach rutschte das Ganze in Klamauk ab. Immer wurde noch ein Zufall draufgesetzt und noch einer, als es für meinen Geschmack schon lange genug war. Ich musste mich zwingen, überhaupt zu Ende zu lesen.

Die Charaktere Nombeko und Holger 2 waren mit sympathisch, das konnte aber auch nichts retten. Was wäre gewesen, wenn Holger 2 spätestens nach dem Tod seines Vaters zum Einwohnermeldeamt gegangen wäre, seinen identisch aussehenden Zwillingsbruder im Schlepptau, um die verrückte Geschichte zu erklären und endlich eine Identität zu bekommen? Dass solch ein logischer Schritt nicht erfolgte, auf dem die ganze weitere Handlung aufbaute, war für mich nicht nachzuvollziehen. Und es gab noch einiges anders, was nicht wirklich glaubwürdig war.

Mein Fazit: absolut Geschmacksache. Und mein Geschmack war es nicht.

Cover_Jonasson_Analphabetin

Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte. Aus dem Schwedisch von Wibke Kuhn. Carl’s Bookks 2013. 448 Seiten, Euro 19,99, ISBN 978-3-570-58512-2.

Zur Verlagsseite (dort gibt es ein Special mit Trailer, Leseprobe, Autoreninterview usw.) – die Analphabetin bei Amazon

0 Replies to “Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte”

  1. Guten Morgen,

    Gott, endlich ein gleichgesinnter Geist! Ich kann auch absolut nicht nachvollziehen, warum diese Bücher so gehypt werden. Habe den Hundertjährigen gelesen, weil er mir ans Herz gelegt wurde und ich glaube es ist das einzige Buch, das ich nicht durchbekam. Die Analphabetin habe ich mir dann direkt gespart. Trotzdem habe ich immer das Gefühl allein mit dieser Meinung zu sein 😀

    Viele Grüße,
    Theatergeist

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