Phil Klay: Wir erschossen auch Hunde

In zwölf Geschichten berichtet Klay aus wechselnder Perspektive von Erlebnissen amerikanischer Soldaten in Afghanistan und dem Irak. Mal berichtet ein Militärgeistlicher von seinen vergeblichen Bemühungen, die jungen Männer zu unterstützen, mal ein Soldat von der Sprengfalle, in die seine Wagenkolonne geriet und durch die er seinen Freund verlor, während er selbst verletzt davonkam. Ein Soldat erzählt, wie sie ein Haus im Irak stürmten, der nächste kann Arabisch, arbeitet deswegen für die Propaganda und bringt seinen Vater damit aus der Fassung, dass er ihm erzählt, welche Beleidigungen sie den Irakern über Lautsprecher entgegengebrüllt haben. Ein Zivilist meldet sich für einen Hilfseinsatz und muss erleben, wie das Geld in sinnlosen Projekten verschwindet und kaum etwas Sinnvolles erreicht werden kann.

Die Erlebnisse der jungen Männer sind verstörend, und so sind auch sie selbst innerlich und manchmal auch äußerlich zerstörte Persönlichkeiten. Ob sie hinterher cool tun oder wegen posttraumatischer Belastungsstörung in Behandlung sind, keiner ist mehr derselbe wie vor dem Kriegseinsatz.

Die Aneinanderreihung von Grausamkeiten macht das Buch manchmal schwer zu lesen, aber es schafft es dennoch – oder gerade deswegen – zu vermitteln, was ein Krieg mit einem jungen Menschen macht. Oft sprüht blanker Hass gegen die Iraker oder Afghanen aus jedem ihrer Worte, diese werden meist „Hadschis“ genannt. Empathie für die Einheimischen scheinen sie nicht zu kennen. Die Soldaten haben gelernt, dass jeder Mensch, der ihnen begegnet, ein potenzieller Feind ist, sogar Kinder legen Sprengminen. Sobald sie das Kasernengelände verlassen, sind sie in Lebensgefahr, die Angst zehrt an den Nerven, sodass viele nicht schlafen können oder Drogen nehmen. Trotz all der vermeintlichen Coolness, verstört es sie zutiefst, wenn sie zum ersten Mal einen Menschen töten müssen, vor allem, wenn es sich versehentlich um ein Kind handelt. Auch später, wieder zu Hause in den USA, fällt die Rückkehr in ein normales Leben nicht leicht. Zwar werden sie als Helden gefeiert, müssen aber mit ihren inneren und äußeren Verletzungen fertig werden. Irgendwann hat niemand mehr Lust, ihren Geschichten zuzuhören. Oft haben die Ehefrauen sie in der Zwischenzeit verlassen. Die Selbstmordrate ist hoch, andere betrinken sich, um zu vergessen.

Ich fand viele der Geschichten sehr berührend oder zumindest erschreckend. Andere ließen mich merkwürdig kalt, ich kann nicht sagen, woran das liegt. Jedenfalls konnte ich das Buch nicht in einem Rutsch durchlesen, das Gelesene brauchte Zeit zum Sacken und wäre sonst auch kaum zu ertragen gewesen.

Teilweise war das Buch wegen der vielen Abkürzungen schwer zu lesen. Zwar ist hinten ein Abkürzungsverzeichnis angefügt, aber ich hatte nicht immer Lust, dort nachzuschlagen. Vieles erschloss sich aber auch aus dem Zusammenhang. In einer sehr kurzen Geschichte, „OIF“ wird die Abkürzeritis allerdings auf die Spitze getrieben:

EOD entschärfte die Bomben. SSTP versorgte die Verletzten. PRP fertigte die Leichen ab. Die 08er schossen DPICM ab. Ich und der PFC verteilten das Geld. (S. 79)

Und das ist nur der erste Absatz …

Das Buch erreicht, was es beabsichtigt: Den Schrecken des Krieges in vollem Umfang zu zeigen. An vielen Stellen wird auch seine Absurdität deutlich, zum Beispiel wenn Soldaten Angriffe provozieren oder eine Gefahr herbeireden, um weiterhin die Truppe mit den meisten Abschüssen zu bleiben. Vor allem gelingt es ihm sehr gut zu zeigen, dass kein Beteiligter unverletzt davonkommt und die Narben ihn ein Leben lang begleiten werden.

Cover_Klay_WirerschossenauchHunde

Phil Klay: Wir erschossen auch Hunde. Aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Meyer. Suhrkamp Nova 2014. 300 Seiten, Euro 16,99, ISBN 978-3-518-46543-1.

Zur Verlagsseite – bei Amazon

Ich danke dem Suhrkamp-Verlag für das Rezensionsexemplar.

0 Replies to “Phil Klay: Wir erschossen auch Hunde”

  1. Danke, dass du es gelesen hast. Ich fand es schon schwer, deine Rezension zu lesen. Ich habe deinen Blog jetzt mal über Bloglovin abonniert, damit ich öfter auf deine Blogposts hingewiesen werde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

*