Jan Reschke: Die Ummauerte Stadt

Meine Hölle ist sechs Quadratmeter groß. Ich dachte immer, die Hölle wäre dunkel. Doch in meiner Hölle ist es hell, 24 Stunden am Tag. Was ein Tag ist, habe ich vergessen. Zu lange bin ich schon hier. Was das ist, hier, das weiß ich nicht. (S. 7)

Die alte Weltordnung ist zusammengebrochen. Der Himmel ist stets wolkenverhangen, die Sonne kommt selten durch. Weite Teile der Städte sind verlassen, denn es gibt keinen Sauerstoff. Doch in der Ummauerten Stadt gibt es noch Leben. Sie ist von einer Kuppel umgeben, dort kann man atmen. Die Menschen leben äußert beengt unter widrigen Bedingungen. Sie sind arm, haben meist keine Arbeit, oft gibt es Ausgangssperren. Auch die Nahrung ist karg, es gibt nur Algen und Fleisch. All dies wird im Geschlossenen Bezirk produziert, wo auch die Herrschenden leben. Sie stellen zwar die Versorgung sicher, aber unterdrücken die Menschen in der Ummauerten Stadt auch.

Jeremiah geht immer wieder das Risiko ein, in den Außenbezirken nach verwertbaren Gegenständen und Material zu suchen, um die Situation der Menschen zu verbessern. Da dies streng verboten ist, begibt er sich immer wieder in Lebensgefahr. Doch dann spitzt sich die Situation zu, die Lebensbedingungen werden immer schlechter, Menschen verschwinden und werden getötet. Jeremiah und seine Freunde beschließen, sich zur Wehr zu setzen.

Die Leser lernen Jeremiah als einen sympathischen jungen Mann kennen, der sich für das Gemeinwohl engagiert und dafür einige Risiken eingeht. Doch als seine Unzufriedenheit immer mehr zunimmt, wird er rebellisch. Trotz vieler Warnungen will er sich gegen das Regime zur Wehr setzen. Die Reaktion auf die ersten Versuche ist furchtbar und er schlägt sich mit vielen Schuldgefühlen herum. Dennoch sieht er keinen anderen Weg und zieht die Aktion zusammen mit seinen Freunden Goran und Ivanna durch. Sein Charakter ist sehr gut und nachvollziehbar herausgearbeitet, ebenso wie man die Motivation der beiden anderen immer besser kennenlernt. Weniger genau lernen die Leser die Verantwortungsträger in der Geschlossenen Stadt kennen, sie werden fast durchgängig als machtgierige Menschen dargestellt, die ihre Position und ihr Wohlergehen über alles stellen.

Die Darstellung der Erlebnisse der drei Rebellen werden immer wieder unterbrochen von der Schilderung der Gedanken und Erfahrungen einer nicht näher beschriebenen Person in Zelle 12. Diese Passagen lösten bei mir regelrecht Beklemmung aus.

Auch die Lebenswelt ist gut beschrieben. Wie würde die Welt aussehen, nachdem die alte Ordnung untergegangen ist? Den Grund dafür erfahren wir nicht, aber die Zweiklassengesellschaft, die sich gebildet hat, ist vorstellbar, ihre Funktionsweise scheint mir möglich. Nach und nach wird erklärt, wie die Sauerstoffversorgung funktioniert, die Menschen untergebracht und verpflegt werden, welche (geringen) Möglichkeiten sie haben.

Die ganze Atmosphäre des Buches ist düster und pessimistisch. Die Endzeitstimmung ist sehr gut herausgearbeitet, der Autor schafft es, die Welt mit all ihren negativen Seiten und ihre Bewohner für den Leser lebendig werden zu lassen. Die Handlung ist actionreich, spannend und voller interessanter Einfälle. Allerdings gibt es auch etliche Gewaltszenen, wer damit ein Problem hat, sollte das Buch nicht lesen. Der Stil ist flüssig, nachdem ich einmal in das Geschehen eingetaucht war, konnte ich nur schlecht wieder aufhören. Das Ende habe ich teilweise vorhergesehen, teilweise war es aber auch vollkommen überraschend.

Eine spannende, bedrückende, gut entwickelte Dystopie, die es zu lesen lohnt.

Cover_Reschke_Ummauerte Stadt

Jan Reschke: Die Ummauerte Stadt. Papierverzierer 2014. 432 Seiten, Euro 14,95, ISBN 978-3-944544-98-4.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

 

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