H. G. Wells: Die Zeitmaschine

Ein Erfinder berichtet seinen Bekannten von seiner neuesten Entwicklung: einer Zeitmaschine. Natürlich stößt er auf Unglauben und Skepsis. Doch beim nächsten Treffen fehlt er zunächst, dann kommt er in einem abgerissenen und ausgehungerten Zustand dazu und erzählt eine nahezu unglaubliche Geschichte, die von einem der Teilnehmer aufgeschrieben wird.
Er berichtet, dass er wirklich durch die Zeit gereist ist, bis ins ferne Jahr 108107. Dort traf er auf eine merkwürdige Art degenerierter Menschen, die Eloi. Sie sind wunderschön, aber klein und schwächlich, zu keinen besonderen geistigen Leistungen imstande. Sie leben in zerfallenen Palästen, arbeiten nie und ernähren sich nur von Obst. Aber woher kommen das Essen und die Kleidung? Nach und nach kommt der Zeitreisende hinter die erschreckende Wahrheit. Es gibt noch eine andere Art, die Morlocken, die unter der Erde leben und die Eloi zu versorgen, aber auch zu beherrschen scheinen.

Unser Gastgeber war in einem erschreckenden Zustand. Sein Rock war staubig, schmutzig, die Ärmel bis hinauf mit Grasflecken verschmiert; sein Haar in Unordnung und, wie mir schein, ergraut – entweder durch Staub und Schmutz, oder weil es wirklich die Farbe verloren hatte. Sein Gesicht war entsetzlich bleich; am Kinn hatte er eine halb verheilte bräunliche Schnittwunde, sein Blick war verstört, die Züge verzerrt wie durch langes Leiden.

Die Zeitmaschine entstand 1895 und ich war überrascht, wie modern der Text doch ist. Natürlich ist es die Ausgangssituation nicht und auch die eine oder andere Bemerkung nicht, zum Beispiel, wo er zu vergleichen beginnt, wie „Wilde“ unfähig wären, ihren Mitmenschen das Leben in England zu beschreiben, weil sie vieles weder erkennen noch verstehen würden. Aber viele von Wells Gedanken und Ideen kommen mir viel neuer vor.
Bei einem Science-Fiction-Roman erwarte ich automatisch die Schilderung vieler technischer Errungenschaften. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Wells hat sich hier zurückgehalten. Er beschreibt eine im Niedergang befindliche Gesellschaft, die in Ruinen lebt und eben nicht durch Erfindungskraft und Ingenieurskunst hervortritt. Der Zeitreisende muss sich vieles zusammenreimen, meint am Ende aber zu erkennen, wie es zu der beschrieben Zweiteilung in der menschlichen Entwicklung kam. Darin schwingt eine Kritik an den herrschenden Verhältnissen mit, die Trennung in eine Arbeiterklasse, die viele Arbeiten unter der Erde verrichtet und selten ans Tageslicht kommt, und die Aristokratie, die über der Erde lebt und die Arbeitskraft der Arbeiter zu ihrem Wohlleben ausnutzt, habe zu der Situation gefühlt. An einem Punkt wurden aus den Beherrschten die Herrschenden, als diese infolge ihres ewigen Nichtstuns dermaßen degeneriert waren, dass sie dem nichts mehr entgegenzusetzen hatten.

Fazit: Auch heute noch eine spannende und anregende Lektüre, in der Wells fantasievoll eine faszinierende, aber erschreckende Welt beschreibt.

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H. G. Wells: Die Zeitmaschine. Aus dem Englischen von Annie Reney und Alexandra Auer. dtv 2014. 160 Seiten, Euro 7,90, ISBN 978-3-423-12234-4.

Zur Verlagsseite: Hier ist eine neue Ausgabe mit neuer Übersetzung zu sehen, die am 13.01. erscheint. Mein Exemplar war noch in alter Rechtschreibung – bei Amazon – bei Buch7.de – im Onlineshop ihrer Buchhandlung – und in jeder Buchhandlung.

Dieses Buch habe ich als Teil der der Bücherkultur-Challenge gelesen.

0 Replies to “H. G. Wells: Die Zeitmaschine”

  1. Die Lektüre hört sich unheimlich interessant an. Ich mag gesellschaftskritische Romane sehr und habe unheimlich Lust bekommen, dieses kurze Buch zu lesen – danke dafür! 🙂

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