Ein Buch für Fans?

Im Oktober 2021 erschien die Autobiografie von Roland Kaiser. Klar kenne ich Roland Kaiser, wer kennt ihn nicht? Und natürlich kenne ich auch einige seiner Lieder, zumindest fiel mir spontan „Santa Maria“ ein. Bin ich ein Fan? Wirklich nicht! Und doch habe ich mir dieses Buch gekauft. Eigentlich nur, weil ich die Co-Autorin, Sabine Eichhorst, kenne und alle so begeistert von dem Buch waren. Doch dann fristete es sein Dasein auf einem meiner vielen Stapel.

Vorgestern beendete ich eine andere Biografie und hatte spontan Lust. Und siehe da, ich habe das Buch durchgesuchtet. Dabei hatte ich viele interessante Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass ich seine frühen Lieder alle kenne, wenn ich nur den Titel lese, kann ich die Musik im Kopf hören. Und ich kenne wirklich viele der Texte! Eigentlich kein Wunder, denn meine Mutter hatte den ganzen Tag das Radio laufen. Die Sendungen, in denen Kaiser aufgetreten ist, wie Hitparade, Disco, Wetten dass … und andere Shows hatte ich gesehen. Aha, der Mann war mir gar nicht so fremd, wie ich erwartet hatte. Eine weitere Erkenntnis war, dass er ein interessantes Leben geführt hat, auch ganz unabhängig von seiner Musik. Aber ich greife vor …

Ein bewegtes Leben

Roland Kaiser wurde als Ronald Keiter 1952 in Berlin geboren. Seine 17-jährige Mutter setzte das Baby vor einem Diakonissenhaus aus, weshalb er bei einer Pflegemutter in einfachen, aber glücklichen Verhältnissen aufwuchs. Nach der Schule machte er zwei Ausbildungen, arbeitete in einem Autohaus und kam nur durch einen großen Zufall zu einer Probeaufnahme, bei der sein Talent entdeckt wurde. Er hatte so etwas nie angestrebt. Auch wenn seine ersten Lieder recht erfolgreich waren, tingelte er durch Discotheken, bis er mit „Santa Maria“ seinen Durchbruch hatte. Es folgten Auftritte in bekannten Sendungen und Shows, große Konzerte, aber auch Flops und schwierigere Phasen. Auch in seinem Privatleben gab es Höhen und Tiefen, mehrere Ehen scheiterten, bis er schließlich mit seiner dritten Frau sein Glück fand. Anfang der 2000er erkrankte er an der Lungenkrankheit COPD und musste mit immer größeren Einschränkungen leben, auch wenn er trotzdem weiter auftrat, bis er schließlich eine Spenderlunge transplantiert bekam. Heute kann er wieder auftreten.

Aufwachsen im geteilten Berlin

Roland Kaisers Kindheit fand ich besonders interessant. Wie war das Aufwachsen in Berlin kurz vor und nach dem Mauerfall, als man Freunde vom anderen Ende der Straße plötzlich nicht mehr treffen konnte und der Aktionsradius in allen Richtungen von einer Mauer begrenzt wurde? Er hörte Kennedy Rede auf dem Rathausbalkon und war auch Jahre später beim Mauerfall gerade in der Stadt.

Musikalische Karriere mit Haltung

Natürlich wird Kaisers musikalischer Laufbahn viel Raum gegeben. Seine Anfänge fand ich interessant. Zu erfahren, wie manche Liedertexte entstanden sind … Ich hatte gar nicht gewusst, dass er nicht nur viele seiner Texte selbst geschrieben hat, sondern auch für viele andere bekannte Musiker geschrieben hat wie Marianne Rosenberg, Peter Maffay (unter Pseudonym) oder Thomas Anders.

Das alles lässt sich sehr gut lesen, denn Kaiser zählt nicht nur Ereignisse auf, sondern bewertet sie aus dem Rückblick und ist durchaus auch mal selbstkritisch. In seinem Leben ist viel passiert, was berichtenswert ist. Er hatte beruflich viel Glück, weshalb der Titel Sonnenseite hervorragend passt, im Privatleben lief nicht alles so glatt, was Beziehungen und Gesundheit angeht, aber auch dort ist er letzten Endes auf der Sonnenseite angekommen. Allerdings ist ihm nicht alles so sehr in den Schoß gefallen, wie es auf den ersten Blick scheint. Für seinen Erfolg waren auch viel Fleiß und Durchhaltevermögen erforderlich.

Ein wenig Kritik habe ich jedoch: Stellenweise wurden eine Menge Namen von Kollegen aufgezählt, mit denen oder für die er gearbeitet hat, das war ein bisschen ermüdend. Auch die Beziehungsenden wurden ein wenig merkwürdig abgehandelt, man erfährt von der neuen Beziehung und dann wird erwähnt, dass die vorhergehende Ehe gescheitert ist. Das waren vermutlich unangenehme Passagen, die er schnell abhandeln wollte. Verständlich, aber ich stolperte beim Lesen dennoch. Nur überflogen habe ich viele Liedertexte, das ist dann wohl doch eher etwas für Fans.

Sehr positiv überrascht hat mich, dass er eindeutig Stellung zu manchen politischen Themen bezieht. Er ist SPD-Mitglied seit 2002, hat für sie Wahlkampf gemacht (was ich vermutlich mitbekommen, aber wieder vergessen habe) und hat sich eindeutig gegen Pegida und für Toleranz ausgesprochen, obwohl er es sich dadurch mit vielen Fans verscherzt hat. Chapau!

Fazit: Insgesamt ein sehr persönlicher und sehr lesenswerter Bericht, der einen interessanten Einblick in das Leben des Stars Roland Kaiser gibt. Definitiv nicht nur für Fans.

Roland Kaiser, Sabine Eichhorst: Sonnenseite. Die Autobiographie. Heyne 2021. 400 Seiten, Euro 20,00.