Es gab ja Zeiten, in denen ich alles von Isabel Allende gelesen habe. Als Jugendliche war sie zweifellos eine meine Lieblingsautorinnen. Sie war auch mit dafür verantwortlich, dass ich als Nebenfach im Romanistikstudium „Lateinamerikastudien“ belegte, sobald ich mitbekam, dass es dieses Fach an meiner Uni gab. Zusammen mit Gabriel García Márquez, mehr lateinamerikanische Autoren kannte ich damals noch gar nicht.
Aber dann kam Paula, das mir zu intim, zu persönlich war. Ich fühlte mich wie eine Voyeurin. Und „Der unendliche Plan“, dessen Schauplatz in den USA mich damals störte (Ich wollte Lateinamerika, basta!). Dann las ich länger nichts von ihr, später gefielen mir „Porträt in Sepia“ und „Fortunas Töchter“ eigentlich recht gut, aber doch nicht so sehr, dass ich mich auf die nachfolgenden Bücher gestürzt hätte.
Als nun eine Netzwerkkollegin „Zorro“ verschenkte, von dessen Existenz ich nicht einmal gewusst hatte, fand ich, ich könnte es ja wieder einmal mit ihr probieren. Den Zorro-Stoff kannte ich natürlich, wer kennt nicht einen der Filme? Aber wie kam es eigentlich, dass Zorro zu dem Held wurde, als der er immer beschrieben wird? Die Idee, seine Kindheit und Jugend nachzustellen, fand ich interessant, obwohl ich kein Fan des Mantel-und-Degen-Genres bin.
Zorros Vater, Alejandro de la Vega, ist ein ehemaliger Soldat, der sich nach seiner Entlassung im Gebiet des gerade gegründeten Los Angeles eine Zukunft aufbauen will. Er heiratet eine junge Frau, deren Vater zwar ebenfalls Spanier war, die aber bei der Familie ihrer indianischen Mutter aufgewachsen ist. Nachdem sie eine Weile bei der Frau des Gouverneurs gelebt hat, die ihr spanische Sitten beigebracht hat, denkt er, er könnte eine Spanierin aus ihr machen.
Beider Sohn Diego wird in der gleichen Woche geboren wie der uneheliche Sohn einer Indianerin, Bernardo. Die beiden Jungen wachsen auf wie Brüder, so weit die Konventionen das zulassen, und bleiben ihr ganzes Leben eng verbunden. Allende beschreibt die Kindheit der beiden, ihre Streiche, ihre Besuche bei den Indianern und ihr Aufwachsen zwischen zwei grundverschiedenen Welten. Schon in dieser Zeit werden die Grundlagen für Zorros späteren Gerechtigkeitssinn gelegt. Der Leser erfährt auch, wie es zu dem Namen „Zorro“ kommt, was „Fuchs“ bedeutet.
Später werden die beiden nach Barcelona geschickt, wo Diego studieren sollen. Untergebracht im Haus eines Bekannten seines Vaters verbringt er seine Tage mit dem Studium, der Verbesserung seiner Fechtkünste bei einem Meister der Zunft und seiner unerwiderten Liebe zu einer der Töchter des Hauses, Juliana. Er erlebt die Unterdrückung der Menschen durch die napoleonische Besatzungsmacht mit und tritt zum ersten Mal als Zorro auf. Ich will nicht zu viel verraten, deshalb nur kanpp: Später folgen eine lange Flucht quer durch Spanien mit Juliana, ihrer Schwester Isabel und deren Gouverante Nuria, die Rückkehr nach Kalifornien und der erste Auftritt als Zorro dort.
Eine Erzählerin berichet dem Leser die Ereignisse um Zorro und Bernardo. Erst ganz am Schluss wird ihre Identität gelüftet, ich ahnte aber bereits in der Mitte des Buches, um wen es sich handelt. Ihre gelegentlichen Einwürfe à la:„Ich konnte nicht weiterschreiben, ich musste warten, bis die bestellten Gänsefedern aus Mexiko eintreffen“ habe ich eher als störend empfunden. Zum Glück kommen sie nicht zu häufig vor. Sie beschreibt ziemlich ausführlich, was gelegentlich zu einigen Längen führte, aber immer gerade so, dass ich der Geschichte nicht überdrüssig wurde. Liebhaber von Zorros Geschichten werden vielleicht enttäuscht sein, denn Fechtszenen spielen (glücklicherweise, wie ich finde) eine eher untergeordnete Rolle. Durch die Reiseerlebnisse, die Begegnungen mit Seeleuten, Piraten und Zigeunern, die Wechsel zwischen Kalifornien und Barcelona mit einem Zwischenspiel in New Orleans, passiert eine Menge, was erklären kann, warum Diego sich für ein Doppelleben entscheidet und sich für die Gerechtigkeit engagiert.
Gut gefallen hat mir, dass ich nebenher ein wenig über die Anfänge von Los Angeles erfahren habe. Ich hätte Zorro in Mexiko angesiedelt, wozu Kalifornien in dieser Zeit natürlich auch gehörte. Manchmal fand ich aber, dass Allende etwas übertreibt, wenn sie Zorro beispielsweise ganz unauffällig Kontakt zu den Zigeunern in Barcelona haben lässt. Das bringt natürlich viel Farbe in das eher eintönige katalonische Leben, erklärt aber gut, woher er all seine Taschenspielertricks kann, die ihm später oft behilflich sind. Und außerdem: Ey, das ist Zorro, der hält sich nicht an Regeln!
Alles in allem hat mir der Roman recht gut gefallen, trotz der gelegentlichen Längen und der Tatsache, dass die meisten Charaktere relativ blass blieben. Und ich war nicht böse darum, als die Liebesgeschichte zu Juliana endlich ein Ende fand, die nervte nämlich irgendwann. Kein großer Wurf Allendes, aber gute Unterhaltung.
Isabel Allende: Zorro. Suhrkamp 2007. 444 Seiten, Euro 9,90, ISBN 978-3-518-45861-7
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Ich habe einige Romane von Allende gelesen, angefangen hat es, glaube ich, mit dem Geisterhaus. An “Paula” erinnere ich mich noch sehr gut, denn ich hatte damals etwas ganz anderes erwartet. Letztlich schien mir das Buch auch zu persönlich, denn sie musste wohl den Tod ihrer Tochter verarbeiten und hat deshalb zur Tastatur gegriffen.