Zu Besuch im Europaparlament Straßburg

Wie kommt man ins Europaparlament?

Als wir in unserem Urlaub einen Tag in Straßburg verbrachten, wollten wir die Gelegenheit nutzen, um uns eine Sitzung im Europaparlament anzuschauen. Wir versuchten, uns anzumelden oder zu reservieren, aber das ist nur für Gruppen möglich. Einzelpersonen müssen auf gut Glück kommen und dürfen nur dann hinein, wenn noch genügend Platz ist. Einmal im Monat ist Sitzungswoche. Montags reisen die Parlamentarier mit ihrer ganzen Entourage an, Einzelpersonen dürfen dann erst ab 17 Uhr ihr Glück versuchen. Dienstags bis donnerstags ist bereits ab 15 Uhr Einlass. Kinder müssen mindestens 14 Jahre alt sein.

Das Europaparlament in Straßburg
Das Europaparlament in Straßburg

Kontrollen müssen sein

Wir waren an einem Montag da und stellten uns pünktlich um 17 Uhr an der sehr kurzen Schlange an. Zunächst bekommt man einen Aufkleber, dass man nicht zu einer Gruppe gehört. Dann folgt eine Sicherheitskontrolle. Der Mann vor uns hatte ein Schweizer Messer einstecken. Gar keine gute Idee! Bitte nicht nachmachen. Das ist nicht nur lästig für euch, sondern auch für die Wartenden dahinter. Es mussten diverse Zettel ausgefüllt werden, damit er das Messer beim Hinausgehen wiederbekommt. Wir dagegen kamen ohne Probleme durch, wir hatten wohlweißlich fast alles im Auto gelassen.

Durch den großen Innenhof ging es zu einem Eingang, von dem aus wir zu einer Garderobe geführt wurden. Dort musste jeder seinen Ausweis vorzeigen und wurde registriert. Also nicht vergessen! Dann wurden wir von einer Mitarbeiterin noch durch die nächste Tür geführt und in mehreren Sprachen darüber informiert, wie alles abläuft, was wir dürfen und was nicht: In den Plenarsaal darf man für eine Stunde. Natürlich soll man sich ruhig verhalten. An den Kopfhörern kann man seine Sprache einstellen. Klatschen ist nicht erlaubt, Zwischenrufe etc. erst recht nicht. Leider ist auch das Fotografieren verboten. Im Bereich vor dem Plenarsaal darf man sich später aufhalten, so lange man möchte. Allerdings gibt es dort außer einem Souvenirshop, der schon ziemlich leergekauft war, und einer Stelle, wo man sich vor allen Fahnen fotografieren lassen kann, nichts Interessantes. In den Bereich für die Abgeordneten und die Mitarbeiter kommt man natürlich nicht.

Innenhof
Innenhof

Auf der Zuschauertribüne

Auf dem Weg nach drinnen bekam jeder einen großen Sitzplan mit den Namen aller Parlamentarier (auf der Vorderseite alphabetisch, auf der Rückseite nach Sitzplatz-Nummern geordnet) sowie die Tagesordnung in die Hand gedrückt. Dann waren wir endlich drinnen, bekamen Plätze zugewiesen, schnappten uns unsere Kopfhörer (Deutsch hat die Nummer 1) und hörten interessiert zu. Es ging gerade darum, die Tagesordnung für die restliche Woche abzustimmen. Die Kommissionsmitglieder konnten wir leider nicht sehen, denn die Zuschauer sitzen hoch oben in einer Art Ring und haben nur in etwa drei Viertel des Plenarsaals Einblick. Die Abstimmungen werden entweder durch simples Händeheben oder namentlich, das heißt durch Drücken eines Knöpfchens, erledigt. Einmal zweifelten einige Abgeordnete das Ergebnis der Auszählung von Schultz an, weshalb noch einmal elektronisch abgestimmt werden musste, es war aber wirklich sehr deutlich gewesen. In vorderster Reihe sitzen, zumindest bei den großen Fraktionen, die Fraktionsvorsitzenden. Sie drehen sich vor den Abstimmungen zu ihren Fraktionsmitgliedern um und halten den Daumen hoch oder runter, damit jeder weiß, wie er abzustimmen hat.

Man kennt sich, man grüßt sich

Interessant wurde es, als die Abstimmungen zur Tagesordnung beendet waren. Dann standen nämlich fast alle Abgeordneten auf und verließen den Saal, da sie offensichtlich an dem kommenden Tagesordnungspunkt nicht interessiert waren. Aber anstatt zügig nach draußen zu gehen, begrüßten sie sich unterwegs, unterhielten sich hier und dort, bis es Martin Schultz zu bunt wurde und er mehrfach ermahnte, schließlich sogar besonders hartnäckige Abgeordnete namentlich ansprach und sie aufforderte, ihre Gespräche doch bitte in ihrem Büro oder der Kantine weiterzuführen. Das hatte ein wenig was von Kindergarten …

Reden, Reden, Reden

Als es dann endlich losging, verstand ich recht schnell, warum sich niemand für das Thema interessierte, obwohl es durchaus wichtig ist. Es ging um die Verschärfung der Abgaswerte von Fahrzeugen, die nicht auf der Straße fahren: Rasenmäher, Schneeschieber, Laubbläser und Binnenschiffe (!) wurden als Beispiele genannt. Dann erklärten die Berichterstatter und Schattenberichterstatter des Ausschusses, worauf man sich dort geeinigt habe, wie produktiv die Zusammenarbeit war etc. Fast alle waren sich einig, nur eine Abgeordnete einer rechten Partei fand die Verschärfung der Werte nicht sinnvoll, da man darauf achten müsse, dass die Binnenschiffe im Vergleich zu den USA konkurrenzfähig bleiben (Hä? Wo ist da die Konkurrenz bei Binnenschiffen? Aber vielleicht habe ich das auch missverstanden.) Eine Abstimmung fand nicht statt, die stand erst für den nächsten oder übernächsten Tag an. Dazu kommen dann wohl auch die Abgeordneten wieder.

Im nächsten Tagesordnungspunkt ging es um die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Gerade wurde die Gruppe herausgeführt, die im gleichen Abschnitt wie wir saß, aber wir waren ja etwas später gekommen und ich hoffte, mir das noch anhören zu können. Da die EU bei dem Thema eigentlich keine Entscheidungsbefugnis hat, war das allerdings nicht sehr gehaltvoll, im Wesentlichen Absichtserklärungen. Das Einzige, was mir interessant schien, war der Plan, eine blaue Arbeitsberechtigungskarte einzuführen. Unsere Stunde war schon deutlich überzogen, aber wir wurden nicht zum Gehen aufgefordert, wahrscheinlich, weil keine neuen Gruppen mehr kamen und viele Plätze frei waren. Wir entschlossen uns dann aber doch, nicht länger zu bleiben.

Mitarbeiter hinter den Kulissen

Auch wenn ich es interessanter gefunden hätte, an einem Abstimmungstag mit (halbwegs) vollem Plenum oder bei heißen Debatten das Geschehen zu verfolgen, war es doch interessant, einmal die Abläufe mitzuverfolgen. Wie die einzelnen Abgeordneten aus den verschiedenen Ländern aufgerufen wurden und sofort ein anderer Dolmetscher weitermachte. Meine Hochachtung den Dolmetschern, die in der Lage sein müssen, ebenso zu verstehen, was über Abgaswerte von Motoren gesagt wird wie alles über den europäischen Arbeitsmarkt und viele andere, teilweise sehr spezielle Themen, und das simultan. Zwei Abgeordnete hatten Unterstützung durch jeweils zwei Gebärdensprachendolmescher, die eine Reihe vor ihnen Platz nahmen. Und auch im Publikum war eine Gebärdensprachendolmetscherin bei der Arbeit. Sie taten mir ein wenig leid, denn sie dolmetschten teilweise ins Leere, weil der Abgeordnete etwas notierte oder mit seinem Smartphone beschäftigt war. Zeitweise haben sie sich aber auch unterhalten, da hatte ich meine Zweifel, ob es wirklich um die Sitzung ging.

Who is who?

Natürlich haben wir auch Ausschau nach Abgeordneten gehalten, die wir kennen. Am Anfang entdeckte ich Martin Sonneborn, als er mit den anderen Abgeordneten den Saal verließ. Später sah ich Martine Le Pen und mein Mann machte mich darauf aufmerksam, als vor dem Flüchtlingsthema Beatrix von Storch zurück auf ihren Platz kam. Mehr habe ich nicht erkannt, aber ich muss zugeben, dass ich einfach nicht viele Europaabgeordnete kenne. Die meisten sind eher farblos und die, die man kennt, sind oft eher die Krawallmacher.

Der Sitzplan
Der Sitzplan

Wir machten dann noch ein paar Fotos vor den Flaggen. Dort werden normalerweise die Gruppen mit „ihrem“ Europaabgeordneten fotografiert, aber außer uns war gerade nur ein junges Paar da, sodass wir niemanden gestört haben.

Die Flaggen der EU-Länder. Und ich.

Die Flaggen der EU-Länder. Und ich.

Fazit: Von den Themen her zwar nicht superspannend, aber ein interessanter Einblick, der sich durchaus gelohnt hat.

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