Eine junge Frau sucht ihren Weg
Annalena arbeitet in einer Behindertenwerkstatt mit Holz. Sie liebt den Geruch von Holz, aber der Lärm stört sie. Viel lieber möchte sie in Jules Blumenladen arbeiten. Als sie ein Praktikum machen darf, ist sie glücklich. Auch mit ihrer Situation zu Hause ist sie unzufrieden. Sie ist 31, wohnt aber immer noch in ihrem Kinderzimmer. Ihre Mutter behandelt sie wie ein kleines Kind, findet sie. Dann streitet sie sich auch noch mit ihrer Freundin Karla. Seit Karla einen Freund hat, hat sie nicht mehr viel Zeit für Annalena.
Schrumm, schrumm, schrumm, schrumm.
Ich höre schon die Geräusche aus der Werkstatt.
Mit einem Gummi
binde ich meine Haare zu einem Zopf.
Kurz darauf stehe ich an der Schleif•Bank.
Ich schleife.
Ich schleife Holz, mit Schleif•Papier.
Das Papier ist ganz rau.
Das Holz wird glatt.
Raues Papier macht Holz glatt.
Darüber wundere ich mich immer.
Annalena gibt nicht auf. Sie setzt sich gegenüber ihrer Mutter durch, bekommt einen anderen Arbeitsplatz in der Werkstatt, versöhnt sich mit Karla und hat beim Theaterspielen nicht nur Spaß, sondern findet auch neue Freunde und wird selbstbewusster. Am Ende wartet ein neuer Lebensabschnitt auf sie.
Annalena setzt sich durch
Annalena scheint eine geistige Behinderung zu haben. Wir Leser erfahren keine Details, aber das ist auch überhaupt nicht nötig, um ihre Situation zu verstehen. Sie arbeitet in einer Behindertenwerkstatt und übernimmt dort eine sehr einfache Aufgabe, die sie allerdings unterfordert. Sie wohnt noch in ihrem Kinderzimmer bei ihrer Mutter, obwohl sie schon 31 Jahre alt ist. Die Mutter will sie beschützen, das merkt man. Sie macht sich Sorgen wegen des wachsenden Freiheitsbedürfnisses ihrer Tochter. Wie soll Annalena alleine zurechtkommen? Annalena fühlt sich ungeliebt. Sie weiß, dass ihre Mutter sie gerne mag und ihr Bestes will. Doch sie denkt, dass ihre Mutter sich bei ihrer Geburt auf eine Torte gefreut hat, dann aber nur einen einfachen Marmorkuchen bekommen hat, mit hellen und zu vielen dunklen Teilen. Wie jede junge Frau hat Annalena konkrete Vorstellungen davon, wie ihr Leben sich entwickeln soll, manche recht konkret, andere eher vage. Nicht alle gehen in Erfüllung, aber durch ihren Einsatz, ihren Willen und mit der Hilfe von Freunden schafft sie es, ein paar Änderungen zu erreichen, die sie glücklich und selbstständiger machen.
Es war spannend, Annalenas Entwicklung zu verfolgen. Das Buch ist aus ihrer Sicht geschrieben und ermöglichte es mir, mich in die Gefühlswelt einer behinderten jungen Frau einzufühlen, die wie jede andere Wünsche und Träume hat.
Ein Buch in Einfacher Sprache
Was ist Einfache Sprache? Die Sätze sind kurz und nicht verschachtelt, es werden möglichst einfache und kurze Wörter gewählt. Lange Wörter werden durch einen Punkt in der Zeilenmitte in Sinneinheiten getrennt. Diese Sprache ermöglicht es auch Menschen, ein Buch zu lesen und zu verstehen, denen das sonst schwer fällt, z. B. behinderte Menschen, Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche, Menschen, die gerade erst Deutsch lernen. Auch die in diesem Buch verwendete größere Schrift hilft dabei, Wörter leichter zu entziffern und zu erkennen.
Ist das defizitäre Sprache, wie manche Leute meinen? Nein, keineswegs. Es werden die Möglichkeiten genutzt, die das Deutsche bietet, um sich einfach auszudrücken. Statt Fremdwörtern werden deutsche Begriffe gewählt. Ich hatte erwartet, dass der Text durch die vielen kurzen Sätze sehr abgehackt wirken würde. Teilweise ist das ein wenig so, doch entwickeln auch die kurzen Sätze einen angenehmen Rhythmus. Manche Passagen wirkten gerade in ihrer Einfachheit sehr poetisch auf mich. Dass ein Text einfach geschrieben ist, bedeutet nicht, dass sein Inhalt banal ist.
Ich fühlte mich von der Textstruktur an Kinderbücher für Leseanfänger erinnert. Auch dabei wird der Text einfach gehalten, um der Zielgruppe das Lesen und Verstehen zu ermöglichen. Das ist bei Büchern in Einfacher Sprache ganz genauso, nur dass sich hier die Themen an den Interessen der älteren Zielgruppe orientieren.
Das war das erste Buch in Einfacher Sprache, das ich gelesen habe. Natürlich war es für mich sehr einfach und schnell zu lesen, aber ich fühle mich keineswegs unterfordert oder gelangweilt. Es war anders, aber das war okay. Annalenas Geschichte war interessant und teilweise bewegend für mich.
Ich kann mir vorstellen, dass das Buch gerade für Menschen, die in einer vergleichbaren Lebenssituation wie Annalena sind, wunderbar ist. Es spielt in ihrer Lebenswelt und greift nicht nur ihre Probleme und Wünsche auf und macht durch seinen Ausgang Mut, mehr Selbstständigkeit zu wagen, sondern kann auch von ihnen selbst gelesen werden. Es ist ein Buch, das sie ernst nimmt – etwas, was sie vermutlich nur selten erleben.
Fazit: Ein Buch in Einfacher Sprache, das sich an Menschen richtet, die zwar mit dem Lesen der üblichen Romane überfordert sind, aber auch gerne Geschichten lesen möchten, die sie ernst nehmen.
Andrea Behnke. Glück wächst im Blumentopf. Edition naundob. 116 Seiten, Euro 12,50, ISBN 978-3-946185-16-1.
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