Als Fürst Pückler-Muskau 1844 einen Reisebericht über seine Ägyptenreise von 1837 veröffentlicht, ist es nicht die erste Beschreibung dieser Art. Etliche Europäer haben schon vor ihm die Wunder und Eigenarten dieses Landes niedergeschrieben. Doch seine Darstellung hebt sich deutlich vom Üblichen ab: Er betrachtet aufmerksam und vorurteilsfrei, was er sieht. Dabei stellt er wiederholt fest, dass seine Vorgänger sich nicht haarklein an die Wahrheit gehalten haben, sondern von oben herab urteilen. Beispielsweise seien die Menschen keineswegs so arm und verwahrlost, wie er es vorher gelesen hat. Auch Mehemed Ali erlebt er nicht als Tyrannen, sondern als klugen Herrscher, der versucht, sein Reich voranzubringen, indem er zahlreiche Modernisierungen einführt. Ausführlich stellt er dar, wie es an seinem Hof zugeht.
Allerdings hat das Land das Mittelalter noch nicht ganz verlassen: Pückler-Muskau kritisiert energisch die noch zulässige Sklaverei, versucht aber dennoch, die Vorgänge auf dem Sklavenmarkt objektiv zu beschreiben. Was ihn aus der Masse der Reisenden hervorhebt ist auch, dass er sich nicht nur für die Pyramiden und anderen grandiosen Bauwerke der Ägypter interessiert. Als er an Manufakturen vorbeikommt, besichtigt er diese und stellt fest, dass die Arbeitsbedingungen keinesfalls schlechter als in Europa sind. Auch die Bezahlung ist, gemessen an den Lebenshaltungskosten, entsprechend.
Seine langsame Reise auf einem Nilboot von Alexandria nach Luxor und Karnak gewährt ihm viele Einblicke in das Alltagsleben der Seeleute, Bauern und Handwerker. Natürlich besichtigt er auch die Sehenswürdigkeiten. Interessant für den heutigen Leser (bzw. Hörer) ist vor allem deren Zustand vor dem Beginn des Massentourismus und Pücklers Einschätzung des Vorgehens der Forscher.
Pücklers anschauliche Schilderungen, mitreißend gelesen von Hubertus Gertzen, versetzen den Hörer in das Ägypten des 19. Jahrhunderts. Vergnügliche und lehrreiche 77 Minuten!
Hermann Fürst von Pückler-Muskau: Aus Mehemed Alis Reich. Eine Reise auf dem Nil. Audiobuch 2010. 1 CD, 77 Minuten, Euro 14,95, ISBN 978-3-89964-237-7
Gelesen von Hubertus Gertzen