Ein Sonntag Ende Mai. Dauerregen, 10 Grad. Eigentlich perfekt, um endlich die Steuererklärung zu machen. Andererseits, Spaß macht das ja nicht gerade, man könnte das ja auch ein wenig hinausschieben. Beispielweise, indem man mal einen Blick in den neuen Krimi von Lisa Graf-Riemann wirft. Eisprinzessin, das passt perfekt zu der Stimmung, die das Wetter verbreitet. Das Wetter in Ingolstadt im Dezember entspricht dem diesjährigen Mai, sodass es mir umgehend gelingt, mich in die Atmosphäre einzufinden.
Am Nachmittag: Der Krimi ist fertiggelesen. Ich konnte ihn nur mit Mühe aus der Hand legen, um wenigstens zwischendurch mal Mittagessen zu kochen. Die Steuer ist nicht weggelaufen. Was passierte?
Kommissar Meißner ist nach wie vor bei der Kripo in Ingolstadt beschäftigt. Er hat ziemlich miese Laune, denn Kollege Fischer ist zu seiner Liebe ins Ausland gezogen und sein Nachfolger Brunner geht ihm unentwegt auf die Nerven. Vom ersten Augenblick war ihm dieser Angeber unsympathisch, und dann baggert er auch noch Malu an, die schließlich seine Freundin ist. Brunners Ermittlungsmethoden sind ziemlich unorthodox, scheinen aber beim ersten gemeinsamen Fall höchst erfolgreich zu sein, was Meißners Laune nicht gerade hebt. Ein junge Frau ist verschwunden, ihr Mann meldet sie vermisst, aber es gibt keinerlei Anzeichen für ein Verbrechen. Doch dann verhält der Ehemann sich höchst merkwürdig. Hat er womöglich etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun? Brunner ist überzeugt, hier einen Täter vor sich zu haben, er muss es nur noch beweisen. Meißner bleibt skeptisch und verfolgt eigene Spuren …
Ein zunächst harmloser Vermisstenfall nimmt immer größere Diemensionen an. Der Krimi wird vordergrundig von der Suche nach der Vermissten bestimmt, im Hintergrund spielt die Rivalität zwischen Meißner und Berger eine große Rolle. Der Ermittler sieht sich in der Rolle des einsamen Wolfes, wovon ihn Freundin Malu abbringen will. Aber er zweifelt sehr an seinem Leben. Auch wenn er sehr mit sich selbst beschäftigt ist, geht ihm der Fall nicht aus dem Kopf. Auch für kleinere Details aufmerksam, zieht er seine Schlüsse nicht so schnell wie Kollege Brunner, aber es sind womöglich die richtigen? Der Autorin ist es gelungen, nicht nur die Vorgänge in der Kripo, sondern auch das Innenleben Meißners spannend und verständlich zu schildern. Ich als Leserin entwickelte, wie immer, meine eigenen Theorien. In Einigem hatte ich recht und ahnte schon recht frühzeitig, was in etwa passiert sein konnte, anderes überraschte mich sehr. Die Charaktere empfand ich als sehr gut herausgearbeitet, vor allem die Kommissare sind wunderbar rund, menschlich, mit Ecken und Kanten. Meißner möchte man manchmal einen Tritt in den Hintern geben … Ein Detail am Rande, das mir sehr gut gefallen hat: In einer Unterhaltung machen sich Meißner und der Kollege der Rechtemedizin über Regionalkrimis und ihre Titel lustig – darunter auch Graf-Riemanns Hirschgulasch.
Der Krimi ließ sich sehr kurzweilig lesen, er fesselte mich und war perfekt für diesen trüben Tag. Ich bin mir aber sicher, dass er auch als kleine Abkühlung an einem heißen Tag am Strand bestens geeignet ist.
Lisa Graf-Riemann: Eisprinzessin. Emons 2013. 256 Seiten, Euro 9,90, ISBN 978-3-95451-072-6.