Obwohl ich viele Krimis lese, rezensiere ich sie nie. Warum? Nun ja, ich finde, entweder ist ein Krimi spannend, atemberaubend, versetzt einen in eine merkwürdige Stimmung: bedrohlich, beängstigend und/oder klaustrophobisch. Es ist nicht nach wenigen Kapiteln klar, wer der Täter ist, und gibt überraschende Wendungen. Außerdem sollten die Ereignisse halbwegs realistisch und nachvollziehbar sein. Dann ist er gut. Oder er weist nur wenige dieser Merkmale auf, beispielsweise, wenn die Handelnden ständig etwas tun, von dem der Leser annimmt, dass kein Mensch in der vergleichbaren Situation so reagieren würde. Dann ist er schlecht. Dazwischen gibt es relativ wenig. Sicher, manchmal lege ich einen Krimi leicht unbefriedigt zur Seite, finde, dass der Plot an sich nicht schlecht war, bin aber trotzdem enttäuscht, ohne unbedingt sagen zu können, woran es lag. Aber solch durchschnittliche Qualität ist eigentlich selten. Enttäuscht bin ich auch gelegentlich, wenn ich nach etlichen Büchern eines Autors, von dem ich ursprünglich begeistert war, bemerke, dass der Plot zwar gut aufgebaut und spannend, aber doch irgendwie immer dasselbe ist.
Noch dazu muss man sehr aufpassen, nicht zu viel von der Handlung preiszugeben. Ich finde es also schlicht und einfach ziemlich schwierig, einen Krimi zu rezensieren. Warum ich es trotzdem tue: Ich habe mich gestern bei einer Challenge angemeldet, bei der man innerhalb eines Jahres 12 Bücher aus 12 verschiedenen Genres lesen und rezensieren muss (siehe hier). Gestern griff ich mir also den obersten Krimi von meinem Stapel ungelesener Bücher, es war Kate Pepper: „3 Wochen bis zur Wahrheit.“
Anais, genannt Annie, schnappt sich ihre kleine Tochter, verlässt ihren scheinbar treulosen Ehemann und flüchtet zu ihrer Zwillingsschwester Julie. Als sie ankommt, ist vor deren Haus gerade ein Mord entdeckt worden – von ihrem Mann, der ihr hinterhergeeilt war. Kurz darauf lässt Annie ihre kleine Tochter bei Julie zurück, um sich bei einem neuen Arbeitgeber vorzustellen. Kaum dort ankommen, wird sie verhaftet. Ihr Leben gerät zunehmend aus den Angeln als sich herausstellt, dass offenbar ihre Identität gestohlen wurde …
Kate Pepper gelingt es hervorragend, den Leser in die Handlung hineinzuziehen. Annie, ihre Gefühle und Handlungen sind ebenso glaubhaft und nachvollziehbar beschrieben wie die Ereignisse, die nach und nach ihr Leben zerstören. Die Spannung steigert sich kontinuierlich, so dass man das Buch ab einem gewissen Punkt nicht mehr aus der Hand legen mag. In den Pausen geht einem die Geschichte nicht aus dem Kopf, man denkt darüber nach, was passieren würde, wenn die eigenen Identität gestohlen würde. Recht schnell hatte ich eine Idee, wer der Täter sein könnte, wie möglicherweise alles abgelaufen war – und wurde mehrfach durch verblüffende Wendungen in der Handlung überrascht. Einzige Kritik: Der Titel erschließt sich mir nicht – warum drei Wochen? – was aber nicht der Autorin anzulasten ist. (Der Originaltitel lautet: „Here she lies“.)
Fazit: Ein absolut empfehlenswertes Buch für einige atemlose Stunden. Ein Krimi, der alle Elemente aufweist, die für eine spannende, glaubwürdige Geschichte notwendig sind. Der der den Leser fesselt, ohne dass dafür bergeweise Leichen und blutrünstige, detailversessene Beschreibungen von Mordtaten notwendig sind. Das hat Kate Pepper nicht nötig, sie erzeugt die Spannung viel subtiler. Das ist Nervenkitzel vom Feinsten!
Kate Pepper: 3 Wochen bis zur Wahrheit, rororo, Taschenbuch, 348 Seiten, Euro 8,90, ISBN 978-3499245558