Birgid Hanke: Carl F. W. Borgward – Unternehmer und Autokonstrukteur

Borgward, das waren doch diese schicken Autos in den 50er-Jahren! – Dies ist der erste Gedanke vieler, die den Namen „Borgward“ hören. Sie denken dabei vor allem an die Isabella, den größte Erfolg der Firma Borgward. Manche erinnern sich vielleicht auch noch an den Niedergang der Firma, der 1961 mit dem Konkurs endete. Wenige wissen jedoch etwas über den Gründer des Konzerns, den Konstrukteur Borgward.

Carl Friedrich Wilhelm Borgward wurde 1890 in Altona als Sohn eines Kohlenhändlers geboren. 1905 begann er eine Schlosserlehre, nach ihrem Abschluss studierte er an der Höheren Maschinenbauschule in Hamburg und schloss 1920 mit dem Ingenieur ab. Nach kurzer Beschäftigung in Hamburg wechselte er 1912 zu einer Bremer Firma, heiratete kurz darauf und bekam einen Sohn. Im ersten Weltkrieg wurde er schwer verwundet, nach seiner Genesung musste er – wohl wegen kriegswichtiger Tätigkeit – nicht zurück an die Front. Obwohl er sich schnell bis zum Oberingenieur hocharbeiten konnte, reichte ihm das nicht. Borgward war ehrgeizig, und so machte er sich am 01. April 1919 selbstständig. Er hatte erkannt, dass nach dem Krieg Reifen Mangelware waren und wurde Teilhaber bei der „Bremer Reifenindustrie“. Einige Zeit später erweiterte er das Geschäftsfeld, wurde Zulieferer für Kühlerer und firmierte in „Bremer Kühlerfabrik Borgward & Co.“ um – die erste Firma, die seinen Namen trug. 1924 kam sein erstes serienmäßig hergestelltes Fahrzeug auf den Markt, das Lastendreirad „Blitzkarre“. Borgwards Ziel war es, Fahrzeuge für die Allgemeinheit herzustellen, dabei war er mit seinen Vorstellungen und Ideen seiner Zeit oft voraus. Stetig ging es nun bergauf, ständig musste die Firma erweitert werden und überstand auch die Wirtschaftskrise gut. Ein großer Coup war der Erwerb der Hansa-Lloyd-Werke nach deren Konkurs 1931. 1935 heiratete Borgward nach seiner Scheidung erneut und bekam in den folgenden Jahren 3 weitere Kinder. Seine „Goliath“-Fahrzeuge verkauften sich gut, doch im zweiten Weltkrieg musste die Produktion auf Anordnung der Behördern auf wenige Modelle, vor allem Lastkraftwagen, beschränkt werden. Weiterentwicklungen waren nicht zulässig – was Borgward nicht daran hinderte, insgeheim Pläne für neue Modelle zu zeichnen. Nach dem Kriegsende wurde er von der Militärregierung aus der Leitung der Fabrik entlassen, erst 1948 durfte er seine Werke wieder betreten. Die zunächst sehr erfolgreiche „Carl F. W. Borgward GmbH“ geriet zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Schließlich musste Borgward den Bremer Senat um Unterstützung bitten, die er zunächst auch erhielt, die jedoch nicht ausreichte, als sich das wahre Ausmaß der Schulden herausstellte, so dass 1961 das Konkursverfahren eröffnet werden musste. Borgward starb 1963.

Dies ist, in knappen Worten zusammengefasst, die Lebensgeschichte eines ehrgeizigen Ingenieurs und genialen Konstrukteurs. Birgid Hanke hat dem Lebens Borgwards nachgespürt, nicht nur in Archiven und mit Hilfe von Dokumenten, sondern sie hat auch mit ehemaligen Mitarbeitern, Familienmitgliedern und anderen Zeitzeugen gesprochen, um den Menschen hinter den nüchtenen Daten für den Leser lebendig werden zu lassen. Sie spürt seinem Leben von der Kindheit an, über die nur wenig bekannt ist, nach und bindet es gekonnt in die bremer und deutsche Geschichte ein. Der Leser erfährt daher auch einiges über die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Bremen, die Weltwirtschaftkrise, die Auswirkugen des 2. Weltkriegs auf die Automobilindustrie und die Nachkriegssituation. An sich nüchterne Daten werden mit den Zeitzeugenberichten geschickt verwoben, so dass ein jederzeit spannend zu lesender Lebensbericht entsteht. Die Ereignisse der letzten Wochen in der Unternehmensgeschichte lesen sich wie ein Wirtschaftskrimi. Selbstverständlich fehlen Informationen über die von Borgward entwickelten Fahrzeuge nicht, aber die Unternehmens- und Technikgeschichte ist nur ein Standbein des Buches. Hanke arbeitet den Mensch Borgward hinter dem Unternehmer heraus, sie zeigt, wie visionär seine Vorstellungen oft waren, aber auch, wie er durch seine eigensinnige Art der Unternehmensführung, die zunächst hervorragend funktionierte, letztlich scheitern musste.

Das Buch wird durch zahlreiche Fotos der Werke, Mitarbeiter und Modelle und natürlich von Borgward und seiner Familie abgerundet. Es ist sicherlich ein Muss für jeden Liebhaber der von Borgward hergestellten Fahrzeuge, aber man muss kein Autofan sein, um dieses Buch mit Interesse und Genuss zu lesen: Sowohl die Unternehmensgeschichte als auch der Mensch Borgward sind derart interessant, dass das Buch auch allen ans Herz gelegt werden kann, die sich für (Wirtschaft-)Geschichte oder Biografien interessieren.

Die Autorin: Birgid Hanke studierte Jura, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Als gebürtige Hessin lebt und arbeitet sie mittlerweile seit 20 Jahren in Bremen. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher, z. B. „Der Baumeister des Königs – Auf Karl Friedrich Schinkels Spuren“ oder, zusammen mit Toma Babovic, „Reformer, Demokrat, Schriftsteller – Auf Fritz Reuters Spuren“.

Birgid Hanke: Carl F. W. Borgward – Unternehmer und Autokonstrukteur, Delius Klasing 2010, 191 Seiten, gebunden, Euro 22,90, ISBN 978-3768832451 Pick It! .

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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