Krieg und Verfolgung haben die überlebenden Mitglieder der Familie Sternberg in alle Himmelsrichtungen verstreut. Doch Betsy ist wieder nach Frankfurt zurückgekehrt. Ihr Schwiegersohn Fritz bekommt zunächst eine Stelle als Richter, macht sich dann aber wieder als Anwalt selbstständig. Er möchte den Juden helfen, ihren Besitz wiederzubekommen. Sein „Meisterstück“ ist die Rückgabe des Hauses in der Rothschildallee an Betsy. Das alte Haus birgt so viele Erinnerungen, schöne und schreckliche, dass es seinen Bewohnern manches Mal schwerfällt, damit zurechtzukommen.
Auch die ausgewanderten Mitglieder der Familie Sternberg zieht es nach Frankfurt zurück. Zuerst stehen Erwin, Clara und Claudette vor der Tür und haben eine Überraschung dabei. Und nach langen Verzögerungen macht sich schließlich auch Alice mit ihrer Familie auf den weiten Weg von Südafrika.
Wie auch in den vorangegangenen Bänden schafft es Stefanie Zweig schnell, den Leser in die Familiengeschichte hineinzuziehen. Inzwischen kenne ich die Protagonisten so gut, dass ich von Anfang an gefesselt war und mitgehofft und mitgelitten, mich aber auch mitgefreut habe.
Sehr gut schildert Zweig die Situation in Nachkriegsdeutschland. All diese Menschen, die es natürlich immer gut mit den Juden gemeint haben wollen und angeblich nichts mit den Nazis am Hut hatten, auch wenn die Sternbergs sich noch gut an harsche Sprüche oder Schlimmeres erinnern können. Obwohl der Krieg schon drei Jahre her ist, ist die Versorgungslage noch prekär. Die Menschen müssen hungern und sind sehr erfinderisch, wenn es darum geht, sich Speisen auszudenken oder aus verschiedenen alten Kleidungsstücken ein neues zu schaffen. Die Währungsreform wird nicht näher geschildert, doch plötzlich gibt es wieder alles zu kaufen und den Sternbergs geht es wieder besser – zumindest äußerlich. Tatsächlich werden alle von Erinnerungen geplagt, die in den unpassendsten Momenten nach oben kommen. Ich finde, in diesen intimen Momenten sind die Protagonisten besonders einfühlsam geschildert.
Das mühselige Wiederfußfassen, die stickige, beklemmende und teilweise verlogene Atmosphäre der Nachkriegszeit, der zurückhaltende Umgang mit den Juden, die vielen schlimmen Erinnerungen, aber auch der langsame Wiederaufbau einer zerstörten Stadt und die Großherzigkeit mancher Menschen, dies alles wird sehr lebendig und mit viel Liebe zum Details beschrieben. Man könnte nun denken, dass es sich um ein sehr trauriges oder belastendes Buch handelt. Das habe ich aber gar nicht so empfunden. Es gibt so viele Momente der Hoffnung, des kleinen oder auch größeren Glücks, des wiederkehrenden Lachens, dass ich die Lektüre sehr bereichernd fand und sie sehr genossen habe.
Ob es einen fünften Band geben wird? Ich würde jedenfalls gerne erfahren, wie es mit den Sternbergs weitergeht!
Stefanie Zweig: Neubeginn in der Rothschildallee. Langen Müller 2011. 280 Seiten, Euro 19,99, ISBN 978-3-7844-3268-7 – Bei Amazon kaufen
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