Urlaub mit nur einem Ziel: Buchhandlungen
Was für eine verrückte Idee, dachte ich, als ich von der Crwodfundig-Kampagne Torsten Woywoods las. Seinen ganzen Jahresurlaub zu opfern, durch halb Europa fahren und sich unterwegs Buchhandlung um Buchhandlung anschauen. Verrückt, aber so sympathisch!
Inzwischen ist das Buch fertig, das der Autor auf der Grundlage seiner Reise geschrieben hat. Und diese Reise war Wahnsinn. Sie führte Woywood in 12 Länder: Niederlande, Großbritannien, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Österreich, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Griechenland. In manchen Städten ist er mit dem Zug angekommen, hat eine oder zwei Buchhandlungen angeschaut und ist gleich wieder in den Zug gesprungen, um in die nächste Stadt bzw. das nächste Land weiterzureisen. Auf diese Weise hat er 60 ganz besondere, individuelle Buchhandlungen besucht, die er jeweils auf etwa 3 Seiten präsentiert. Meist gibt es ein Foto dazu, in wenigen Buchhandlungen durfte er nicht fotografieren – sehr schade.
Er beschreibt die Buchhandlungen so gut, dass man sie fast vor sich sieht: die Fassade, die Beschriftung, die Regale, Tische, Wände und Treppen, den Geruch und das Sortiment. Am Interessantesten fand ich meist die Geschichte der Buchhandlungen oder kleine Anekdoten, die die Buchhändler ihm erzählten. Am Ende eines Landes nennt er einige Titel von Autoren aus diesem Land. Sicherlich hat er sich dabei etwas gedacht, oft sind es Titel, die er auf den Tischen oder in den Regalen gesehen hat, aber das schien mir etwas beliebig.
Es ist beeindruckend, mit wie viel Einfallsreichtum es die unabhängigen Buchhandlungen schaffen, sich gegen die großen Ketten zu behaupten. Manche befinden sich an atemberaubenden Orten, zum Beispiel in einer ehemaligen Kirche. Viele Buchhändler haben sich sehr große Mühe bei der Einrichtung und Gestaltung gemacht und dadurch etwas ganz Besonderes geschaffen. Einige Buchhandlungen sind so alt, werden teilweise in der x-ten Generation geführt, dass sie einfach eine Institution sind. Andere überleben dank ihres ungewöhnlichen Sortiments oder Konzepts, wenn zum Beispiel gebrauchte neben neuen Büchern in den Regalen stehen und die Buchhandlung ihren Kunden die Bücher nach dem Lesen wieder abkauft. Oder wenn die Räumlichkeiten gleichzeitig ein Café oder ein Restaurant sind. Manche Buchhandlungen sind so originell, dass ich mich fragte, warum sie nicht in den Reiseführern stehen (aber vielleicht tun sie es ja).
Besonderer Reiseführer, Nachschlagewerk und Schmöker
Es handelt sich hierbei nicht um ein Buch, das man mehr oder weniger in einem Zug von vorne bis hinten durchliest. Ich zumindest habe es mir häppchenweise gegönnt. Hier drei Buchhandlungen, dann mal wieder zwei oder vier. Liest man nämlich zu viel an einem Stück, wird es doch ein wenig ermüdend: dunkle Regale, helle Regale, bunte Kinderbuchabteilung, von der Decke hängende Bücher oder andere Dekoartikel, gerade und geschwungene Treppen, verwinkelte oder übersichtliche Räume und schon wieder zum Zug, man bringt irgendwann alles durcheinander. Aber in den richtigen Portionen macht die Lektüre Freude. Von mir aus hätte Woywood allerdings durchaus noch mehr ins Erzählen kommen können, denn gerade die kleinen Geschichten und Anekdoten sind es, die die Buchhandlungsneugier befriedigen. Aber dazu war er in den meisten Buchhandlungen wohl nicht lange genug, manchmal klappte auch die Verständigung nicht so gut.
Sehr schön sind die Bilder, die mit gutem Blick aufgenommen wurde. Allerdings hätten sie es verdient, besser präsentiert zu werden. Es ist mir schon klar, dass das Format aus Kostengründen so klein ist. Auch die Schrift ist eigentlich einen Tick zu klein, ich fand sie recht anstrengend zu lesen (noch ein Grund für die kleinen Leseportionen). Das Buch wäre als Coffee Table Book genial: große (und gerne deutlich mehr) Bilder auf Hochglanzpapier präsentiert, sodass man richtig in die Buchhandlungen eintauchen kann, dazu eine gut lesbare Schrift und ein insgesamt gewichtiges Buch. Ja, das wär’s!
Vermutlich könnte man auch die Auswahl der Buchhandlungen kritisieren. In Paris und Marseille gibt es etliche, im Rest des Landes nicht? Auch in anderen Ländern besucht er meist die Hauptstadt und einen oder zwei weitere Orte. Und etliche Länder kommen gar nicht erst vor. Aber das finde ich verständlich, anders wäre solch eine Reise nicht durchzuführen gewesen. Es werden also nicht zwingend die allerschönsten Bücherorte Europas sein, aber das Buch zeigt eine breite Auswahl an wunderschönen Buchhandlungen. Späteren Ergänzungsbänden steht ja nichts im Wege.
Trotz der Kritikpunkte ist es eine bereichernde Lektüre. Mir tat es um jeden Ort leid, den ich schon besucht habe, ohne mir die wundervolle Buchhandlung anzusehen, die es dort gibt. Aber dem Problem ist hiermit abgeholfen. Vor Urlaubsfahrten werde ich zukünftig das Buch konsultieren und nachschlagen, welche Buchhandlungsschätze es dort zu entdecken gibt.
Fazit: Ein Muss für jeden, der beim Anblick einer schönen Buchhandlung in Verzückung gerät.
Torsten Woywood: In 60 Buchhandlungen durch Europa. Meine Reise zu den schönsten Bücherorten unseres Kontinents. Eden 2016. 256 Seiten, Euro 19,90, ISBN 978-3-959100-73-1.
Zur Verlagsseite – bei Amazon (versandfähig in ein bis zwei Monaten? Vielleicht eher nicht!) – über Buchhandel.de – und natürlich in den Buchhandlungen.