Rezension: George Simenon: Maigret in Kur

Maigrets 67. Fall

Kommissar Maigret ist nicht richtig krank, aber es zwickt ihn hier und dort. Deswegen schickt sein Arzt ihn auf Kur nach Vichy. Dort wird er noch einmal untersucht: Vier Wochen darf er keinen  Alkohol trinken, muss Diät halten und immer brav das Heilwasser trinken. Zusammen mit seiner Frau, die ihn begleitet, entwickelt Maigret schnell einen Lebensrhythmus. Sie stehen immer zur selben Zeit auf, laufen lange durch die Stadt und den Kurpark, trinken mittags und abends Heilwasser und lauschen manchmal den angebotenen Konzerten. Um sich die Zeit zu vertreiben und weil er nicht anders kann, beobachtet Maigret die Leute. Es kommt, was kommen muss: Eine der Frauen, die den Maigrets aufgefallen ist, wird tot aufgefunden.

In der Stadt hat sich schon herumgesprochen, welch hochrangiger Gast dort gerade kurt, und so wird Maigret von der Polizei gebeten, sich den Fall einmal anzuschauen – und schon steckt er mitten in den Ermittlungen.

Wohltuende Langsamkeit

Es ist lange her, dass ich die Krimis von Simenon gelesen habe. Ich wusste nicht mehr, mit welcher Ruhe er beschreibt und Charakterstudien betreibt. Das Hörbuch umfasst vier CDs, der Mord passiert erst auf der zweiten. Bis dahin wird in aller Gemütsseelenruhe erzählt, wie und warum Maigret nach Vichy kommt, wie sein Tagesablauf sich gestaltet usw. Man könnte meinen, das sei langweilig. Ich muss gestehen, dass ich mich selber ein wenig gewundert habe, dass das nicht der Fall war. Ich habe mich von der langsamen Erzählweise tragen lassen und die scharfsinnigen Beobachtungen genossen.

Als dann die Ermittlungen aufgenommen werden, bricht immer noch keine Hektik aus. Maigret will niemandem in die Quere kommen, kann aber das Ermitteln auch nicht lassen. Dennoch verabschiedet er sich immer pünktlich, um rechtzeitig zum Heilwassertrinken bei seiner Frau zu sein. Seine Einschätzungen sind den Kollegen aber sehr wichtig und auch meist hilfreich.

Beim Fall selbst merkt man natürlich, wie alt die Geschichte ist. Sie wurde 1968 veröffentlicht. Am meisten fällt das bei den Darstellungen der alleinstehenden Frauen und der moralischen Bewertung ihrer Lebensweise auf. Der Krimi ist daher gleichzeitig eine Zeitreise in die 60er Jahres des letzten Jahrhunderts. Köstlich habe ich mich amüsiert, als der Kurarzt Maigret zu seinem Alkoholkonsum befragt und ihn als völlig selbstverständlich hinnimmt. Zwar trägt er ihm auf, während der Kur keinen Alkohol zu trinken, was Maigret überraschenderweise völlig problemlos schafft, aber ich glaube, heute würde man ihn in eine Entzugsklinik schicken.

Wer tötete die Dame in Lila – und warum?

Den Fall löst Kommissar Maigret auf eine ruhige, unaufgeregte Weise. Tatsächlich war mir aber eine ganze Weile vor Schluss bereits klar, worauf es hinauslaufen wird. Dennoch hat es mir gefallen, seine Schritte zu begleiten. Auch seine feinsinnigen Betrachtungen des Kurbetriebs und die Beschreibungen des Lebens in Vichy fand ich sehr interessant.

Die Lesung hat mir sehr gut gefallen. Ich glaube, bei dem bedächtigen Tempo der Handlung steht und fällt alles mit dem Vorleser. Walter Kreye hat mit seiner angenehmen Stimme erreicht, dass nicht die geringste Gefahr bestand, dass ich einschlafen könnte.

Fazit: Wahrhaftig kein Actionthriller, sondern ein bedächtiger, unaufgeregter und trotzdem angenehm zu hörender Krimi mit viel Flair und feinsinnigen Betrachtungen. Ein Klassiker mit viel Charme.

George Simenon: Maigret in Kur (67). Aus dem Französischen von Hansjürgen Wille, Barbara Klau und Bärbel Brands. DAV 2020. 4 CDs, 5 h 33 min, Euro 17,00, ISBN 978-3-7424-1404-5.
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